"Ein Schriftsteller ist ein Mensch, dessen Sprache der Welt entsagt hat, dessen Person in ihren Netzen verstrickt bleibt."
HEIMITO von DODERER, >Repertorium< (1969)
ARCHIV DES DICHTERISCHEN NACHLASSES DES FERDINAND FRIEDLOS
“In meinem Buche steht schlechtes und Gutes, süsses und saures unter einander oder vielmehr blos Gutes: denn was disen nicht gefället, gefället doch ienen, und was sonst niemand gefält, gefält doch mir."
JEAN PAUL
“Ferdinand Friedlos” ist das dichterische Pseudonym des Büroangestellten Ernst Teslebens, der - zuständig für die Kundendatei vom Buchstaben ‘K’ bis ‘M’ und mit dem Ausblick, demnächst auch den Buchstaben ‘N’ übernehmen zu dürfen - vor einigen Jahren an seinem Arbeitsplatz in der Halsapp & Schneider AG (dem Weltmarktführer im Vertrieb von Schmonzes und Tinnef aller nur erdenklichen Art) im mumifizierten Zustand von seinen erschrockenen Arbeitskollegen aufgefunden wurde. Es stellte sich heraus, dass der Hausmeister vergessen hatte, am Montagmorgen den Raumbefeuchter wieder einzuschalten, woraufhin Teslebens sich binnen weniger Stunden in ein vertrocknetes Blatt verwandelte. Jegliche Wiederbefeuchtungsversuche durch die Kollegen, dem herbeigeeilten Notarzt und einem zufällig anwesenden Zimmerpflanzengärtner blieben ohne Erfolg, so dass an jenem tragischen Montag ein bis dato unbekanntes Dichtergenie vom Formate Kafkas auf das Format eines nur noch raschelnden und rasch zerfallenden Blattes reduziert wurde. Bei aller Tragik ist das Ende Teslebens - typisch für diesen von skurrilen Unglücken verfolgten, still leidenden Menschen - nicht ohne doppeltes ironisches Moment, hatte Teslebens zum einen sich und die moderne Menschheit - wie viele Dichter neigte er dazu, beides gleich zu setzen - doch stets als Opfer der in seinen Augen übermächtig gewordenen Technik betrachtet und war Teslebens doch zum anderen von abgrundtiefem Misstrauen gegen die Berufsgruppe der Hausmeister durchdrungen - in seinen Augen nur emsig-bösartige und besenbewehrte, stets rücksichtslos das dürre Laub wegfegende, subordinierte Handlanger der teuflischen Technik. Nun wirkten also beide, die Technik und ihr alltägliches menschliches Werkzeug, der Hausmeister, zusammen, um Teslebens, den fast schon nervigen Mahner gegen beide Übel, den Garaus zu machen.
Nachdem man den welk raschelnden Teslebens im Beisein des beängstigend engen Familienkreises auf den herbstlichen Friedhof abgesetzt hatte, wo er unter all den welken, windverwehten Blättern nicht weiter auffiel (“Vom Leben vergessen zu werden ist eine Gnade,” soll Teslebens immer gesagt haben), entdeckte der eingesetzte Nachlassverwalter in der nun verwaisten, in der Hans-Dampf-Gasse des idyllischen fränkischen Städtchens Zotenburg gelegenen 2,5-Zimmerwohnung umfangreiche Manuskripte, die Teslebens unter dem Pseudonym “Ferdinand Friedlos” verfasst hatte. Wie sich später herausstellte, wählte Teslebens dieses anonyme Schriftstellerdasein, um seine autoritäre Erbtante Gisela Teslebens nicht zu verärgern, die in jungen Jahren von dem bekannten Dichterfürsten Reiner Maria Blanckhohn durch dessen zarte Verse verführt und anschließend sitzengelassen wurde und die seither einen geradezu fanatischen Hass auf alle Dichtkunst hegte. Das einzige Buch in ihrem Haushalt soll das Telefonbuch gewesen sein und selbst dieses benutzte sie nur mit größtem Widerwillen, was sich fatal auswirken sollte, als eines Nachts ein Raubmörder in ihre Wohnung eindrang und sie sich nicht entschließen konnte, die Notrufnummer der örtlichen Polizei nachzuschlagen. Teslebens, der wegen einer Lücke in seinem Rentenplan auf das freilich kleine Erbe seiner Tante angewiesen war, sah sich daher gezwungen, mit der Veröffentlichung seiner Werke bis nach deren Ableben zu warten, konnte diesen Plan aber wegen des oben geschilderten tragischen technischen Fehlers nicht mehr ausführen - die Pläne Teslebens wurden im Übrigen nur in den seltensten Fällen ausgeführt und wenn, dann nur zum Schaden ihres Urhebers, auf welchen sie dann laut krachend zurückzufallen pflegten. Der Nachlassverwalter - ein abgebrochener Germanistikstudent - erkannte jedoch schon beim ersten Durchblättern der Teslebenschen Manuskripte deren überwältigenden literarischen Rang und übergab diese der begeisterten geisteswissenschaftlichen Fakultät (“Daher also der Name!” hätte Teslebens / Friedlos freudig-erstaunt ausgerufen) der Universität Zotenburg, an der auch Teslebens selber bei dem bedeutenden Philosophen Leo Flappsiger seine Studien absolviert hatte. Beauftragt mit dem Redigieren und Publizieren des Fundes, der neben Gedichten und Aphorismen sowie einem unter den Pseudonym “Agnesia Achwemir” verfassten Frauenroman (“Seerosen haben keine Dornen”) auch ein alternatives Libretto zu Alwin Schmockbergs bekannter Skandaloper “Der Zahnstocher” (geschrieben für die Treppe hinunterfallendes Orchester), einen Rußland-Krimi (“Schoss Takowitsch?”), ja sogar eine fränkische Bühnenfassung von Hemingways “Der alte Mann und das Meer” (Titel des Stücks: “Der alte Mo und der Mee”) umfasst, wurde der ewige Privatdozent Matthaeus Artolaganus, der bisher weniger durch wissenschaftliche Leistung geglänzt hatte, sondern den Germanistenkollegen eher durch das ständige Reden über die Fortschritte an seiner Richard Wagner-Novelle (Arbeitstitel: “Die Bayreuther Schickse”), an der er seit über zwölf Jahren schrieb, auf die Nerven ging. Gezwungenermaßen wählte der wenig zahlenaffine Artolaganus, der sich in der Höhe des ihm zugeteilten Forschungsbudgets verlesen hatte und der deshalb in der ersten, euphorischen Freude über diese neue akademische Chance bereits einen Großteil eben dieses Budgets versoffen hatte, das Internet als kostengünstige Publikationsform für das Friedlossche Oeuvre.
Im Folgenden sind nun die bisher bearbeiteten Funde aus dem Friedlos-Archiv der Öffentlichkeit preisgegeben, jener Öffentlichkeit, die Teslebens / Friedlos stets zu meiden suchte, die aber bekanntlich noch jeden eingeholt hat.
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LICHTENBERGSCHE FIGUREN
Aus den aufgefunden Notizen des Ferdinand Friedlos
"Zerstreuete Gedanken lieset man wieder zerstreuet und blättert in ihnen herum.
Je kürzer solche sind, desto kürzer will man sie haben; und Längen, die uns in andern Büchern Kürzen wären, sind uns zu große."
JEAN PAUL
Die Bezeichnung "Lichtenbergsche Figuren" rührt von dem Göttinger Physikprofessor und Aufklärer Georg Christoph Lichtenberg her, einem Autoren des 18. Jahrhunderts. Er ist heute nur noch wegen seiner literarischen Hinterlassenschaften, vornehmlich seinen sogenannten "Sudelbüchern" bekannt, in denen er Einfälle und Gedankenblitze in aphoristischer Kürze zu notieren pflegte, hatte aber als Physiker auch das Phänomen entdeckt, dass, wenn man Bärlappsporen auf eine Metallplatte streut und diese dann unter Strom setzt, sich diese Bärlappsporen nach regelmäßigen Mustern anordnen. Diese Muster wurden dann als "Lichtenbergsche Figuren" bezeichnet und dieser Name sei auf die im folgenden wiedergegebenen und in der Tradition des großen Göttingers stehenden Merkwürdigkeiten übertragen.
Bärlappgewächse gehören übrigens zu den blütenlosen Pflanzen, also in die gleiche Familie wie die Farne, die Moose und der Verfasser dieser Zeilen.
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Parteien sind technische Aggregate zur Erzeugung von Pensionsberechtigungen.
Und an den Iden des März war wohl selbst Julius Caesar mit seinem Latein am Ende.
Wer die Religion als Opium für das Volk denunziert, tut dies in der Absicht, den Markt für Opium zu übernehmen.
Die modernen Menschen folgen jenen Gestalten, die ihren vielfältig wuchernden Neurosen einen griffigen und schmeichelhaften Namen geben.
Das unumstößliche Fundament der progressiven Theologie bildet das Dogma von der Küngschen Unfehlbarkeit.
Der Kapitalismus beruht auf der Ausbeutung des Menschen, der Sozialismus hingegen auf dem Genickschuss.
Biblisch: Es soll Geistliche geben, die gerichtlich dagegen vorgehen, dass man in ihrer Nachbarschaft Hähne hält.
Der Schweizerländische Alpenschmock (Rosalia philosophis - Artolaganus 1998), im Volksmund auch als der Philosophenkäfer bekannt. Dieses ursprünglich nur im Alpenraum beheimatete Schadinsekt breitete sich seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts in der deutschen Universitätslandschaft rasant aus, wo es seitdem oft an mehreren Universitäten zugleich, wenn auch in wechselnder Morphologie beobachtet wurde. Experten beruhigen jedoch die interessierte Öffentlichkeit: das Tier wird zwar durch sein umtriebiges Verhalten als lästig empfunden, richtet jedoch in der Regel, abgesehen von einigen Fraßspuren, keinen dauerhaften Schaden an
Die Phrase ist der Ausdruck eines platten Gedankens unter Umgehung des Gehirns.
Die blonde Isolde, die kleine, nette, holde, die machte, was sie wollte und heiratete, nicht, wie sie sollte, den alten, knauserigen Bolte, sondern den jungen Alois Nolte - sonst wäre sie schon längst die Witwe Bolte.
Das Bestreben der Progressiven in der Kirche das protestantische Geschäftsmodell der Anbequemung des Christentums an das bürgerliche Heldenleben zu übernehmen, erinnert an einen Buchhändler, der, ob seiner pekuniären Verluste, seinen kleinen stimmungsvollen Laden mit den schönen alten und gehaltvollen Leinenbänden in eine Videothek umwandelt.
Die Soziologie wäre sicherlich eine interessante Fachrichtung, würde sie nicht von Soziologen betrieben werden.
Haarige Szenen: Wenn Dänen sich beim Gähnen genussvoll aus den Fenstern lehnen, werden sich die Strähnen ihrer Mähnen im Winde dehnen, während die Haare auf den Zähnen sich im Paradiese wähnen.
Die Seelenlandschaft unserer Jugend ist eine Gemengelage von guten und schlechten Gewächsen. Danken wir täglich Gott, wenn darin die guten Gewächse schneller emporwachsen konnten, als die schlechten, so dass die letzteren gezwungen sind in dichter Beschattung dahinzuvegetieren.
Die Menschen sehen fern, um das naheliegende nicht betrachten zu müssen.
Weite Entfernungen legte sie lieber mit Hilfe ihrer Stimme als mit Hilfe ihrer Beine zurück.
Moderne menschliche Beziehungen erinnern in ihrem Charakter und ihrer Funktion stark an Wärmestuben oder Pissoirs.
Nachdem ein bekannter Fernsehkoch den Tipp gegeben hatte, Zwiebeln, um tränende Augen zu vermeiden, immer unter Wasser zu schneiden, ertranken mehrere Hausfrauen auf tragische Weise.
Das letzte Werk von Günter Grass: Beim Schneiden des Rotkohls.
"Was sich heute Kunst nennt, ist weitgehend ein künstlicher, verzweifelter Versuch, originelle Dinge zu schaffen, aber alle wahre Schönheit, Poesie, Tiefe sind verschwunden."
DIETRICH von HILDEBRAND
"Mediokrität ist bekanntlich am allerfatalsten, je mehr sich der Mediokre für intelligent, interessant, neu hält, je mehr er 'revolutionär' und 'mittelmäßig' für radikale Gegensätze ansieht."
DIETRICH von HILDEBRAND
Das aus der sakralen Sphäre herrührende Adjektiv 'laienhaft' hat nun ausgerechnet in den Fragen des Glaubens und der Kirche seine pejorative Bedeutung verloren, verhindert also nicht länger den Zugriff der gierigen und schmierigen Finger des Bürgers auf diese Sphäre.
Vielleicht begeben sich gerade in diesem Augenblick die Pilze auf die Suche nach uns.
"Es ist wirklich das ungeheure Maß sozusagen ehrlicher Mühe und Arbeit kaum glaublich, das mitunter bei Humbug und Schwindel geleistet wird. Ja, wir halten solche enormen Energie-Aufwände für eines der Charakteristica unseres Zeitalters, dessen gewaltige Kräfte vielfach auf diese Weise glücklich verpuffen."
HEIMITO von DODERER
Hessischer Lemming (Lemmus hassianis - Artolaganus 2012): Der Hessische Lemming, ein dem Menschen äußerlich ähnliches Schadnagetier mit auffallend blondem und lockigem Fell. Benagt vor allem kleine und mittelständische Firmen, deren Inhaber und Mitarbeiter, sobald die Vorräte weggefressen sind, dem stets lustigen Lemming in einem großen Umzug in den nächsten Abgrund folgen. Die Art überwintert gemeinhin in einem dichten Lügengespinst, an welchem sie das ganze Jahr über arbeitet, wobei sie sich immer mehr darin verheddert. Auffällig am Verhalten dieses Lemmings ist außerdem, dass er - bei sonst vollkommen fehlendem Schamgefühl - stets sehr darum besorgt ist, dass ihm niemand, wie er selber es bei jeder Gelegenheit formuliert, "zu tief in den Popo schaut." Verhaltensforscher rätseln über die Bedeutung dieser Eigenart, die sich um so seltsamer ausnimmt, als das sonstige Seelenleben des Hessischen Lemmings nicht sehr komplex ausgeprägt ist, bzw. schlicht nicht vorhanden ist. Man vermutet daher, dass der Anus im Fortpflanzungsritus dieser Art eine wichtige, jedoch erst noch zu klärende Rolle spielt. Die Art ist ursprünglich endemisch auf die Region Hessen beschränkt, wird jedoch in jüngster Zeit auch im fränkischen Raum häufiger beobachtet. Wildbiologen sehen dieses Ausgreifen der früher räumlich eng begrenzt vorkommenden Spezies mit großer Sorge, richtet sie doch dort, wo sie sich einmal festgesetzt hat in der Regel immensen ökonomischen Schaden an.
Siehe zur Vertiefung auch Leif S. Windler / Honest B. Heppnersheimer: Zur Biologie des Hessischen Lemmings. Ein Schadnagetier in der Mitte Deutschlands. Übersetzung aus dem Englischen von Matthaeus Artolaganus. Zotenburg 2013
Der geschichtliche Beruf des Konservativen ist es, die Übel von gestern gegen die Übel von morgen zu verteidigen.
Die Weltverbesserer aller Couleur, die der Menschheit der Zukunft ein Paradies auf Erden errichten wollen, indem sie die Menschen der Gegenwart unter die Erde bringen.
Die modernen Menschen lassen sich moralische Vorhaltungen lieber von ihrem Arzt als von einem Geistlichen machen, ohne freilich dieser neuen Instanz mehr zu folgen, als der alten.
Er stand als Debitor im Kontokorrentbuch des Teufels.
"Reife besteht in der Fähigkeit, mit unverwechselbarem Schritt auf ausgetretenen Bahnen zu wandeln."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
Besser in der Vergangenheit leben, als in der Zukunft zu sterben.
“Der Intellektuelle soll die Menschen am Denken hindern, wozu ist schließlich die Arbeitsteilung da.”
MAX HORKHEIMER
“Massenauflagen von Philosophen beweisen ihre Harmlosigkeit.”
MAX HORKHEIMER
“Zwischen Achtung und Verachtung des Lebendigen verläuft die Trennungslinie, nicht zwischen dem sogenannten Links und Rechts, dem schon veralteten bürgerlichen Gegensatz. Die Cliquen mögen sich bekämpfen, wo ihre Interessen es fordern, ihre wirklichen Gegner sind die sich ihrer selbst bewußten Einzelnen.”
MAX HORKHEIMER
Vor dem Siegeszug der Moderne hatten noch die einfachsten, alltäglichsten Handlungen eine sakrale Dimension. In der bei sich selber angekommenen Moderne hingegen nehmen sich noch die bedeutsamsten Vorgänge als zutiefst banal aus.
"Wer sich respektiert, kann heute nur noch in den Zwischenräumen der Gesellschaft leben."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
"An Gott glauben, auf Christus vertrauen, mit Schalkhaftigkeit schauen."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
"Das beste Mittel, um die Angst zu lindern, ist die Überzeugung, daß Gott Sinn für Humor hat."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
Ein Gespräch unter Fremden im Zugabteil: 'Wissen Sie, an wen Sie mich erinnern?' - 'Leider nein.' - 'Schade. Ich nämlich auch nicht.'
Fraglich: Durch diesen hohlen Schädel soll er kommen, der Gedanke?
Wir sind alle alleine. Die meisten von uns wissen dies nur nicht, da sie sich zu viel in Gesellschaft aufhalten.
Das Schöne ist wie ein Riß in der Wirklichkeit, durch den das Licht einer anderen Welt dringt.
"Nie suchen, was uns nur besuchen kann."
HEIMITO von DODERER
Der moderne Mensch kennt kein Ehrgefühl mehr, welches angreifbar wäre, sondern lediglich narzisstische Kränkungen.
Es gibt nur ein Wesen, welches schlimmer ist als ein Politiker ohne Prinzipien, nämlich ein Politiker mit Prinzipien.
Der Tod verleiht dem Leben die Tiefe eines Grabes.
Er entpuppte sich als der Elefant im Porzellanladen, den man aus einer Mücke gemacht hatte.
“Der Mensch hat nur drei Möglichkeiten, dem Tadel der Welt zu begegnen: ihn zu verachten, ihn mit gleicher Münze heimzuzahlen oder bemüht zu sein, so zu leben, daß er ihn sich nicht zuzieht. Der erste Weg wird gewöhnlich vorgetäuscht, der dritte ist fast unmöglich, der zweite aber stellt die allgemeine Praxis dar."
JONATHAN SWIFT
Den Ernst unserer Lage kann man am deutlichsten an dem Niveau des politischen Personals ablesen, welches wir beständig angehalten werden, ernst zu nehmen.
1984: Haben wir uns erst einmal daran gewöhnt, nicht zu sagen, was wir denken, werden wir bald aufhören zu denken, was wir nicht sagen dürfen.
Kunst, gerade auch die Dichtkunst, ist ein unterhaltsames und handwerklich anspruchsvolles Spiel mit Bedeutungen, ist also scharf zu unterscheiden von Propaganda, Pressegeschreibsel oder Pornographie, deren Grenzen untereinander zusehends verschwinden.
Das Ich ist die Distanz, die wir gegenüber uns selber wahren.
Das Leben verläuft entlang des Striches, den es durch unsere Rechnungen zu machen pflegt.
Der durchschnittliche Gläubige benimmt sich heute gegenüber der Katholischen Kirche so, als gehöre er zu ihren Gläubigern.
Der liebe Gott ist nicht unser nur stundenweise zu konsultierender Psychotherapeut.
Ahnen wir auch nur im geringsten, wie lästig wir den Stubenfliegen fallen?
Die Moderne ist wie ein verläßliches Mittel gegen Verstopfung, welches ebenso verläßlich Diarrhoe hervorruft.
Kollektive funktionieren stets nach dem Fassdaubenprinzip. Ihre niedrigsten Elemente bestimmen das Niveau.
Geistige Diarrhoe ist eine Krankheit, die erwiesenermaßen unheilbar ist, aber leider auch nicht tödlich endet.
Menschen kann man belügen, die Dinge hingegen nicht. In diesem ehrlichen, weil sachlichen Kern liegt die Differenz zwischen allen produktiven Tätigkeiten und den sogenannten Dienstleistungsberufen.
”Die Vergottung des Menschen aber ist - recht verstanden - die Proklamation des Nihilismus. Mit der Zertrümmerung des biblischen Gottesglaubens und aller göttlichen Gebote und Ordnungen zerstört der Mensch sich selbst. Es entsteht ein hemmungsloser Vitalismus, der die Auflösung aller Werte in sich schließt und erst in der schließlichen Selbstzerstörung, im Nichts, Ruhe findet.”
DIETRICH BONHOEFFER
”Der Anspruch der Gemeinde der Gläubigen mit christlichen Prinzipien die Welt aufzubauen endet [...] in dem völligen Verfall der Kirche an die Welt.”
DIETRICH BONHOEFFER
Der typische Propagandist des Liberalismus ist heute pensionsberechtigt.
Der Politiker sucht stets die Nähe zum Bürger - wie der Taschendieb auch.
Das Leben ist wie eine vergiftete Schachtel Pralinen. Spätestens das letzte Praliné ist tödlich.
“Wo die echte Unwissenheit aus allen Schlupfwinkeln gründlich vertrieben ist und dafür eine seichte Halbbildung sich über alle ohne Unterschied ergossen hat, da verwandelt die Selbstsucht das Wissen in Schlauheit; und je mehr diese letzte Eigenschaft bei einem Volke überhandnimmt, desto mehr werden die Menschen ihre Interessen und all ihr Sinnen und Trachten an die Gegenwart heften, ohne, was später einmal werden soll, zu berücksichtigen oder jemals über die nächste Generation hinauszudenken.”
BERNARD MANDEVILLE
“Denn schlimm steht es um ein Volk und seine Verfassung, wenn sein Wohlergehen auf die Tugend und das Gewissen der Minister und Diplomaten angewiesen ist.”
BERNARD MANDEVILLE
Viehischer Humor: Fällt Hirte Hitzig morgens um sieben von den steilen Stiegen, so dass sich seine Ziegen vor Lachen den langen Hals verbiegen, sich prustend und schüttelnd die Bäuche wiegen, um dann schließlich kichernd auf der Weide zu liegen, dann werden diese albernen Ziegen wohl bald Besuch vom Schlachter Kaltbluth kriegen.
Jeder Staat beruht in seinem Kern auf dem Prinzip der Schutzgelderpressung. Die Mafia zahlt lediglich besser als der öffentliche Dienst und sorgt effizienter für Ruhe und Ordnung.
Der menschliche Verstand ist die Bedingung der Möglichkeit von Dummheit.
Die Moderne löst ihre Probleme, indem sie beständig neue schafft.
Der Name täuscht: Intelligenz ist weiß Gott keine Voraussetzung für die Ausübung des Berufs eines Intellektuellen.
Die Sottise ist der täglich gelebte Kompromiss zwischen Barbarei und bürgerlichem Heldenleben.
”Wir müssen wohl Verbrechen begangen haben, derentwegen wir zu Verfluchten geworden sind; denn wir haben alle Poesie des Universums verloren."
SIMONE WEIL
"Wenn der Geist dem Gewicht der Quantität erliegt, bleibt ihm kein anderes Kriterium als die Wirksamkeit."
SIMONE WEIL
"Einem Menschen zu gehorchen, dessen Autorität nicht von Legitimität verklärt ist, ist ein Alpdruck."
SIMONE WEIL
Die immerhin technisch begabte Moderne ersetzt das Selbst durch das Selfie.
Oft ist es schwieriger, sich aus einer Sache wieder herauszudenken, als sich in die selbe hineinzudenken.
Ihm war ein Licht ausgegangen.
Ein Politiker mit geringem Einkommen erinnert an eine wenig frequentierte Prostituierte.
Auch harte Nüsse sind gleichwohl oft taub.
Unsere übelsten Handlungen lassen sich oft auf unsere Angst vor Vereinsamung zurückführen.
Im Zeitalter des Neoliberalismus tritt der Kriminologe an die Stelle des Wirtschaftswissenschaftlers.
“Mit den Worten Ordnung und Freiheit wird man das Menschengeschlecht immer wieder vom Despotismus zur Anarchie führen und von der Anarchie zurück zum Despotismus.”
ANTOINE de RIVAROL
“In der Moral geht man durch Verbrechen zugrunde und in der Politik durch Fehler.”
ANTOINE de RIVAROL
“Unsere Sitten sind in noch größerer Unordnung als unsere Finanzen.”
ANTOINE de RIVAROL
In der Ära des Neoliberalismus hat die englische Sprache die Rolle übernommen, die einst dem Rotwelsch zukam.
“Der Pöbel glaubt, die Freiheit besser zu erreichen, wenn er die der anderen beeinträchtigt.”
ANTOINE de RIVAROL
Jetzt, da die Menschen nicht mehr nach dem ewigen Leben streben, misslingt ihnen zusehends auch das irdische.
Ab einer gewissen Stufe der Selbsterkenntnis wird man sich eingestehen, dass man auch zu jenen Menschen gehört, die man in seinem Leben besser nicht kennen gelernt hätte.
Es ist einträglich, seiner Zeit weit voraus zu sein, sofern die Einzahlungen bereits in der Gegenwart auf dem Konto des Visionärs eintreffen.
Mikroökonomie des Friedhofwesens: Die Präferenzen sind verschieden. Die Präferierenden werden es früher oder später ebenfalls sein.
“Verändert man den Sinn der Wörter einer ausgebildeten Sprache, ist es gleichermaßen, als verschlechtere man den Wert des Geldes in einem Reich; man stiftet Verwirrung, Ungewissheit und Misstrauen mit den Instrumenten der Ordnung, der Klarheit und des öffentlichen Vertrauens: Wenn man die Möbel im Zimmer eines Blinden verstellt, verdammt man ihn dazu, sich ein neues Gedächtnis aufzubauen.”
ANTOINE de RIVAROL
Sie wurde allgemein als praktizierende Blondine eingeordnet, doch es kursierten Gerüchte, wonach sie konvertiert sei.
Wer nur Kind seiner Zeit und nicht zugleich zumindest Urenkel der Ewigkeit ist, wird nichts wesentliches hervorzubringen haben.
Es sind die Traditionen, die uns aufrecht erhalten.
Atemlos in letzter Minute auf den falschen Zug aufzuspringen - das ist der Inbegriff der Praxis des modernen Menschen.
Umgekehrtes Vorzeichen: In einer zunehmend links dominierten Gesellschaft wandelt sich linke Gesellschaftskritik in eine perfide und geschwätzige Form der Affirmation des Bestehenden. Dem späten Horkheimer war dies bewußt.
Hobbes: Der Staat ist die Bestie, die der Mensch geschaffen hat, um die Bestie Mensch im Zaum zu halten.
Bildungsfernsehen: Das Schlimme an der Wissenschaft von der Geschichte ist, dass inzwischen jeder Schmock glaubt, er verstünde etwas von ihr.
Das schlimmste, das einem Volk widerfahren kann, sind Politiker, die anfangen, an ihre eigenen Lügen zu glauben.
"Die andern Welttheile haben Affen; Europa hat Franzosen. Das gleicht sich aus."
ARTHUR SCHOPENHAUER
Die Geier, die sich am Ende einer Epoche von deren Aas ernähren, werden von den Zeitgenossen zunächst meist als zwar schräge, aber harmlose Vögel wahrgenommen.
Eine Lichtgestalt dank künstlicher Beleuchtung.
Artistik: Man kann ohne Verstand räsonieren, so wie man auch freihändig Fahrrad fahren kann. Mitunter erweckt man damit sogar den Eindruck großer intellektueller Kunstfertigkeit.
Bologna: Es fehlt zur Vollendung des marktkonformen Umbaus der deutschen Universität nur noch, dass in den Seminaren der Germanisten mit der englischen Übersetzung des ‘Faust’ gearbeitet wird.
Von unseren Mitmenschen dürfen wir keine Gerechtigkeit erwarten, von Gott müssen wir diese befürchten.
"Die sogenannten Menschen sind fast durchgängig nichts andres als Wassersuppen mit etwas Arsenik."
ARTHUR SCHOPENHAUER
Der Beruf des Strauchdiebs wird auch deshalb so gerne ergriffen, da er weder botanische noch sonstige Fachkenntnisse voraussetzt.
Mit mancher alten Uhr läßt sich die moderne Zeit trefflich messen.
Nostalgie: Das Leben wäre so schön, hätten wir es nur schon hinter uns gebracht.
"Jede Schönheit ist für eine christliche Deutung empfänglich."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
In der zur Spaßgesellschaft verzwergten westlichen Moderne glaubt man, ein Problem sei gelöst, wenn die Kabarettisten im Fernsehen sich seiner angenommen haben.
Ob das Jüngste Gericht dereinst wohl ärztliche Atteste akzeptieren wird?
Die Würde des Menschen tritt am deutlichsten dort zu Tage, wo sie zu bröckeln beginnt.
Der heutige Durchschnittsabiturient hält die Mayas für ein Bienenvolk.
Man kann eine Kultur planmäßig zerstören, aber man kann keine Kultur planmäßig aufbauen.
Die Tragik des modernen Individuums erschöpft sich darin, unglücklich in sich selber verliebt zu sein.
Der moderne Mensch würde in der Gegenwart eines Heiligen nicht Ehrfurcht, sondern eine Kränkung seiner Eitelkeit empfinden.
”Das ist der wahre Konservativismus, der es gestattet, dass nichts veraltet und verfällt."
LORD ACTON
“Fortschritt ist die Religion derer, die keine haben."
LORD ACTON
Engagement: Künstler, die mit ihrem Werk etwas bewirken wollen, wirken zumeist reichlich bemüht.
Die Kirche muss den Sündern beistehen. Aber die Kirche muss den Sündern nicht beipflichten.
Der Teufel steckt im Detail. Gut für uns, wenn er darin stecken bleibt.
Philosophie des bürgerlichen Heldenlebens: Vexo, ergo sum.
”Die Demokratie untergräbt das Gewissen dadurch, dass sie Menschen dazu anleitet, dasjenige vorzuziehen, was andere am besten finden, und nicht das, was sie selbst am besten finden. Sie demoralisiert also genauso wie eine exzessive Autorität. Sie beraubt die Menschen des Gespürs für Verantwortung und der Pflicht, sich zu bemühen."
LORD ACTON
Die beiden hatten einen Verein zur gegenseitigen Versicherung ihrer Bedeutsamkeit eintragen lassen.
Der Lieblingsroman aller Innenarchitekten: Adalbert Stifters 'Nachsommer'
Der moderne Mensch ordnet als pflichtbewußter Hedonist sein persönliches Glück seiner Lust unter.
Man lobt gerne und großzügig über den grünen Klee, der auf Gräbern wächst.
Auch ohne eigene Persönlichkeit kann man persönlich erscheinen.
In den Werken von Autoren wie Vilfredo Pareto oder Robert Michels kehren sich die originär linken Denktechniken gegen die Linke. Man kann darin auch eine Form der Dialektik der Aufklärung sehen.
Er blickte mit Wermut auf sein Leben zurück.
"Man hat heutzutage mehr Magister der Rechtschaffenheit als rechtschaffene Menschen."
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG
Der Blasenfisch (Salmo vesica - Artolaganus 2013), eine winzige Forelle, die ihr adultes Dasein in der menschlichen Blase verbringt. Die hellgelb schimmernde Spezies ernährt sich dort von den Überbleibseln der von ihrem Wirt aufgenommenen Nahrung. Der Wirt bemerkt die Existenz des kleinen Fisches zumeist nur während der Paarungszeit im April, in der der Fisch ein äußerst agiles Verhalten an den Tag legt. Der nach dem intensiven Paarungsspiel abgelegte Laich wird zusammen mit dem Urin ausgeschieden, so dass die Larven des Fisches die ersten drei Jahre ihres Lebens in den Toiletten und der angeschlossenen Kanalisation verbringen. Erst wenn sie ausgewachsen sind wandern die Tiere im menschlichen Urinstrahl, gegen die reißende Strömung geschickt ankämpfend, nach oben und nisten sich in einer neuen Blase ein. Der Blasenfisch gehört heute, durch die sich in der zivilisierten Welt zunehmend ausbreitende Verwendung von chemischen Toilettenreinigern, aber auch durch die Tatsache, dass der kleine Fisch in Frankreich als Delikatesse sehr geschätzt wird, zu den stark gefährdeten Arten.
"Es gibt ganze Epochen, in denen zu gefallen beschämend ist."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
“Der Unglaube ist nicht Sünde, sondern Strafe."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
Blätterrauschen: Der typische moderne Durchschnittsjournalist bezieht seine Existenzberechtigung daraus, selber ein wenig von dem Wind zu produzieren, in welchen er sein Fähnchen hängt.
Der glaubenstreue Katholizismus ist heute als das Widerständige zu betrachten, quasi als ein römischer Viadukt, dessen majestätische Ruine in die Welt der Barbaren hineinragt, und in dem noch ein Rinnsal fließt.
Leider kann man sich nicht im selben Sinne 'entblöden', in welchem man sich 'entkleiden' kann.
Jedermann kennt den Namen Iwans des Schrecklichen. An einen ‘Iwan den Erträglichen’ würde sich niemand mehr erinnern.
Er glaubte, er habe es faustisch hinter den Ohren.
“Wenn eine Sprache zerfällt, glauben ihre Sprecher, sie verjünge sich.
Über der Jugendfrische heutiger Prosa liegt ein Hauch verendeten Fleisches."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
”Das Individuum trägt nur Früchte, wenn es in eine Tradition gebettet ist."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
Kommunikatives Handeln I: Sagt der Taube zum Blinden: 'Sehen Sie mich gefälligst an, wenn ich mit Ihnen rede!' Antwortet der Blinde: 'Sie wollen mich einfach nicht verstehen!'
Kommunikatives Handeln II: 'Wir werden sehen', meinte der Blinde. 'Wenn ich das schon höre!', entgegnete der Taube.
Kommunikatives Handeln III: Zwei Juden, die sich über die Auslegung des Gesetzes streiten, kommen zum Rabbi und verlangen von ihm eine Entscheidung. Nachdem der erste seine Auslegung vorgebracht hat, bestätigt ihm der Rabbi: "Da hast Du recht gesprochen!" Als aber der zweite Jude seine Auslegung vorträgt, bestätigt auch ihm der Rabbi "Da hast Du recht gesprochen!" Eines der dabeistehenden, bisher nur zuhörenden Gemeindemitglieder wirft darauf ein: "Aber Rabbi! Es können doch nicht beide recht haben!" Der Rabbi überlegt kurz und antwortet: "Da hast nun wiederum Du recht gesprochen."
Manchmal hilft nur die Liebe zum Detail, um das Ganze zu ertragen.
Buchungsschluss: Der Tod dreht uns eine Buchhalternase.
”Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, daß er viel größer ausschaut, als er wirklich ist.”
JOHANN NEPOMUK NESTROY
Man muss sich den Teufel wohl als einen kommoden und umgänglichen Herrn vorstellen, der aber am Monatsende unerbittlich die Rechnung präsentiert. Also als einen typischen geschäftstüchtigen Bürger dieser Welt.
Das moderne Individuum ist überall einsam, aber nirgends allein.
Der Hl. Superbius, Schutzpatron der leitenden Angestellten, auf Darstellungen stets an seinen typischen Attributen erkennbar: dem bequemen Bürostuhl, dem aufgeschlagenen Manual mit den sententiae inanes und nicht zuletzt der wichtigen Miene.
Wer die Moral hochhält kann leichter unter ihr durchschlüpfen.
Gott hindert uns daran uns mit dem erschreckend folgerichtigen Sinn, den diese Welt ohne ihn ergäbe, restlos zu arrangieren.
Das Zeitalter des Barock, als selbst die protestantischen Dichter noch katholisch waren.
Aller Menschenkenntnis, und damit implizite auch aller Selbsterkenntnis wohnt etwas Maliziöses inne. Müßig zu fragen, ob dies am Subjekt oder am Objekt des Erkennens liegt.
Wenn der Mensch liebenswert wäre, würde der Aufruf zur Nächstenliebe kein Ärgernis darstellen.
Satire darf tatsächlich alles - außer dem Opportunismus zu frönen.
"Nicht Größe des Geistes sondern des Windes hat ihn zu dem Manne gemacht."
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG
Das Leben ist darauf ausgerichtet aus der Vergangenheit heraus die Gegenwart zu bewältigen um eine Zukunft zu erringen. Wer hingegen die Gegenwart damit ausfüllt, die Vergangenheit zu bewältigen, wird keine Zukunft haben.
Es heißt viel zu verlangen, von der Kirche lebensnahe Antworten zu fordern, wenn dieses Leben gottesfern ist.
Ökumene bedeutet, dass der Katholik sich bis zum Jüngsten Tag dafür entschuldigen muss, noch nicht protestantisch genug zu sein.
Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen. Den meisten Menschen bleibt auch nichts anderes übrig.
"Wie glücklich würde mancher leben, wenn er sich um anderer Leute Sachen so wenig bekümmerte, als um seine eigenen."
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG
"Als er am Kirchhofe vorbei ging, sagte er: Die da können nun sicher sein, daß sie nicht mehr gehenkt werden, das können wir nicht."
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG
Religare: Eine Institution, die ihren Wesenskern und ihre Geschichte für mehr oder weniger unverbindlich erklärt, wird - abgesehen von ihren Gehaltsempfängern - niemanden dauerhaft an sich binden können.
Das beste Mittel zur Stabilisierung eines politischen Systems ist es, die überall wie Pilze aus dem Boden schießenden Revolutionäre gleich zu Beginn ihrer verheerenden Karriere mit Pensionsansprüchen auszustatten, statt wie im geschichtlichen Normalfall erst an deren Ende.
Wer den progressiven Predigten andächtig lauscht, der erspart sich zumindest den Kauf einer Tageszeitung.
Die Öffnung der Hl. Kirche für die 'Mitwirkung' der Laien wird unweigerlich wie bei den Baptisten enden: Jeder, der seinen Zeigefinger über der Bibel kreisen läßt, wird das Predigeramt beanspruchen.
Das Grab ist das Siegel auf dem ungeschriebenen Vertrag, der zwischen den Lebenden und den Toten besteht.
Glaubt man den Predigten der Progressiven so führen alle Gleichnisse Christi mit Hilfe von zwei oder höchstens drei gedanklichen Sprüngen in den Sozialismus.
Unter Nießbrauch versteht man das schon im Sachsenspiegel verbriefte Recht, im Notfall das Taschentuch des Stammesgenossen benutzen zu dürfen.
“Bei den meisten Menschen gründet sich der Unglaube in einer Sache auf blinden Glauben in einer anderen.”
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG
Es ist soweit gekommen, daß die Hirten mit den Wölfen heulen.
Eine niedergehende Kultur ist auch dadurch gekennzeichnet, dass die Konturen, die ehemals ihre verschiedenen Sphären voneinander trennten, verschwimmen und ineinander übergehen. Ein Symptom dafür ist heute, dass die Politiker sich zunehmend im Tonfall des Predigers gefallen, während die Priester der Versuchung, zu politisieren, nicht widerstehen können.
Die gute Gesinnung macht heute das gute Gewissen. So kann man im abstrakt Allgemeinen des Ideellen die eigene individuelle Dürftigkeit umfassend camouflieren.
Die moderne Gesellschaft ist eine Zusammenballung von Individualisten ohne Individualität.
Die Muse, welche ihn geküßt hatte, war wohl in venerologischer Behandlung.
Bildungskrise: 'Mein Mann hat mich ganz schön in die Bredouille gebracht.' - 'Ach ja? Wir waren im Urlaub in der Bretagne!'
Die herrschenden Ideen der Moderne werden auch deshalb zu den herrschenden, weil es ihnen gelingt die übelsten Eigenschaften der Menschen anzufüttern.
Das heute so verbreitete Konzept des 'Infotainment' ist Ausdruck einer unumkehrbaren Infantilisierung ganzer Kulturen.
Mit der Säkularisierung des Staates wandert das Sakrale in die Mimik und die Phrasen seines politischen Personals.
"Wer die Gebrechen seiner Gedanken in eine dunkle Sprache einkleidet und verhült, ahmet klüglich die Wirthe nach, die gerne trübes Bier in einem undurchsichtigen Gefäs auftragen."
JEAN PAUL
Heute führen dort die Schlauen, wo es der Klugen bedürfte.
Neil Postman muss man als den Alexis de Tocqueville unseres Zeitalters würdigen.
”Das Maß der Verwirrung wird voll, wenn die Sophisten die Geschichte der Philosophie schreiben, die Catilinas die Geschichte der Staaten und Völker, die Häretiker die Geschichte der Kirche. Immer waren nur Ansätze dazu da in Europa: heute ist es ernster."
THEODOR HAECKER
"Die Christen werden wieder zur 'Minderheit', die 'nicht zählt'. Sie werden sich freilich von andern Minderheiten, die 'nicht zählen', dadurch unterscheiden, daß sie trotzdem verfolgt werden."
THEODOR HAECKER
Zu den unauslöschlichen Vorurteilen des Linken gehört der Glaube, in der Kunst und in der Politik könne Haltung das fehlende Talent ersetzen.
“Die Poesie ist die Aussicht aus dem Krankenzimmer des Lebens.”
JEAN PAUL
Eine erfolgsversprechende Strategie zur Beförderung der eigenen Karriere ist es, intellektuelle durch charakterliche Defizite zu kompensieren.
Es ist nur folgerichtig, dass der Demos, als der aktuelle Herrscher, von der Kirche die Absegnung seines sündigen Treibens fordert, so wie ja auch die absolutistischen Herrscher der Vergangenheit ihre Intrigenspiele und Kriegsgreuel von der Kirche gesegnet wissen wollten.
Das man sich am Sonntag in der Messe mit der Privatesoterik von Hinz und Kunz auseinandersetzen darf, war bis vor kurzem ein Privileg der Protestanten.
Jene Individuen, die offenherzig von sich bekunden, dass sie danach streben, sich selber zu verwirklichen, machen auch tatsächlich oft einen eher unwirklichen Eindruck.
Wem zu Jesus Christus nur noch Politisches einfällt, der ist wohl nicht nur in theologischer Hinsicht ein Einfaltspinsel.
Der Demokrat kritisiert die Mächtigen so lange, bis er ihre Stelle eingenommen hat.
Die Mehrzahl der Menschen orientiert sich an den Fähnchen, die andere in den Wind hängen.
Keiner der progressiven und kritischen Kleriker würde sich zu der Ketzerei versteigen, von der als skandalös denunzierten Kirche zu fordern, die regelmäßige Überweisung seines Gehalts einzustellen.
Die Unbeirrbarkeit ist die Tugend der Dummen.
Die politische Theologie der Demokratie beruht auf dem unauslöschlichen Aberglauben, dass im Recht sei, wer mit der größeren Herde trottet.
Von der Kirche 'lebensnahe' Antworten zu fordern, meint die Märtyrer aller Zeiten zu verhöhnen.
“Außerhalb des Christentums geht alles Menschentum zugrunde. Sie haben keine Maßstäbe und keine Grundlagen. Wer Mensch sein will, muß Christ sein.”
ALFRED DELP
Was die Dummheit von der Einfalt unterscheidet, ist die Schlauheit, die mit der ersteren einhergeht.
Der Konservative handelt, als ob er sich vor der Nachwelt verantworten müsste. Der Progressive handelt, als ob sich die Nachwelt bei ihm bedanken müsste.
Das Leben erschöpft sich in verpassten Gelegenheiten und in Gelegenheiten, die man besser verpasst hätte.
"Was bleibt von den Gottesspöttern mehr als ein versteinertes Grinsen? Der Spott ist als Senkblei zu leicht, als Sonde zu kurz, um bis zum Grunde des Seins zu reichen."
THEODOR HAECKER
"'Auf der Bank der Spötter', von der die Schrift spricht, sitzen verlorene Seelen, Hasser Gottes und der Menschen und ihrer selbst. Aber auch da ist nichts endgültig. Sie können eines Tages aufstehen, auf die Knie fallen und anbeten, was sie verspottet haben."
THEODOR HAECKER
"Die Menschen sind rar geworden, die an einem Wort erforschen, wieviel Wahrheit in ihm ist. Die meisten Menschen interessiert nur, wieviel Wirkung in ihm ist."
THEODOR HAECKER
Die Pfaffenbetrugstheorie der Aufklärer des 18. Jahrhunderts wird heute nur noch an linken Stammtischen und in der progressiven Theologie vertreten.
Altersstarrsinn setzt heute schon in der frühen Jugend ein.
Man wird die Kirche nicht aufwerten, indem man ihre Sakramente auf die Rangstufe von Freibier stellt.
Religare bedeutet sich rückbinden, sich befestigen. Wer das Fortschreiten, die Veränderung zum Selbstzweck seines Daseins erklärt, ist wohl in jeder Religion dieser Erde schlecht aufgehoben.
Gott hat die Menschen als Mann und Frau erschaffen. Der Welt blieb es vorbehalten, sie in Hinz und Kunz zu verwandeln.
Der religiöse Glaube hat seinen Ursprung wohl auch in jenem geistigen Akt, in welchem der Mensch erkennt, was aus ihm zu werden droht.
Unter 'Diskussion' versteht der moderne Linke, dass er sich dazu herabläßt seinen Gegner über dessen moralische Verworfenheit zu belehren.
Seitdem die Linken nicht mehr Hegel und Marx lesen, fürchten sie den Widerspruch wie den Teufel.
Das Massengrab als der Schauplatz der proletarischen Entdinglichung des Menschen.
“Wer offene Türen einrennt, braucht nicht zu fürchten, daß ihm die Fenster eingeschlagen werden.”
KARL KRAUS
”Die 'Kinder der Welt' setzen ihren großen Stolz eben darein, keine 'Kinder' mehr zu sein; darum verachten sie den Christen schon deshalb, weil der notwendig immer etwas Kindliches haben wird. Wie auch nicht? Einer der ewigen Eigennamen Gottes, von Ihm selber offenbart, ist 'Vater'."
THEODOR HAECKER
"Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes, nicht sein Zerstörer. Sie ist hierarchisch, nicht anarchisch. Und weil sie die Erfüllung ist, ist ihre Verletzung die eigentliche Sünde. An seiner Liebe wird ein Mensch gemessen."
THEODOR HAECKER
”Gott ist so sehr Künstler und so wesentlich, daß etwas nicht stimmen muß mit dem, der die Kunst verachtet, auch wenn er fromm und gläubig ist. Es gibt schlechterdings nichts in den Werken der Natur, das nicht als Kunstwerk geschaffen wäre; auch die 'Wiederholung' ist höchste Kunst: jedes einzelne Blatt ist ein Kunstwerk."
THEODOR HAECKER
Die fortschreitende Aufklärung erfasst immer weitere Kreise, so dass sich für die Bauern das Aufstellen von Vogelscheuchen nicht mehr lohnt.
Priester, die das Paradies auf Erden errichten wollen, müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie denn wenigstens von Wirtschaft und Gesellschaft mehr verstehen, als von Theologie.
"Absolute dauernde Zufriedenheit eines Menschen wäre das Bild des Nichts, aus dem er geschaffen ist; absolute dauernde Unzufriedenheit ein Bild der Hölle, die er gewählt hat."
THEODOR HAECKER
”Als die herrschende Idee hierarchisch nicht mehr 'das Gute' war, sondern 'das Schöne' - was die Renaissance genannt wird -, begann das Verderben, und das Resultat war nicht die Fülle und Ernte des Bösen, sondern die abgründliche Häßlichkeit der Seele dieser Tage."
THEODOR HAECKER
Ein heutiger Geistlicher muss sich wohl entscheiden, ob er Priester oder Politiker sein will. Nur einer dieser beiden Berufsgruppen bringt man gemeinhin Vertrauen und Respekt entgegen.
Das Problem mit unseren Eliten ist nicht etwa, dass sie nicht gewillt sind, zu tun was sie können, sondern dass sie gewillt sind, zu tun was sie nicht können.
Menschen, die die Verbindung zu ihren Ursprüngen kappen, werden dadurch in der Regel nicht origineller.
Alle Welt will heute Politik machen, auch die Ärzte, die Priester und die Richter. Nur die wenigen noch arbeitenden Schuster bleiben bei ihren Leisten.
In uns allen findet sich ein trüber Pfuhl der Dummheit. Die naheliegenden Schlauheiten des Alltags sind dessen krötenhafter Auswurf.
Für eine Jugend, die ohne Gott aufwächst, weil die Eltern es schon so hielten, müsste der Glaube doch eigentlich deren rebellischen Geist locken.
Die Moderne ist überzeugt, sie könne den Teufel reiten.
Die Moderne oszilliert zwischen ihren Konjunkturen der Trivialität und des Terrors.
Das man den Fortschritt nicht aufhalten kann, ist kein Argument für den Fortschritt.
Der moderne aufgeklärte Bürger läßt sich von abgebrochenen Theaterwissenschaftlern und Kabarettisten die Welt erklären. Dies erklärt wohl hinreichend die Unumstößlichkeit seiner Überzeugungen.
Der moderne Mensch geht mit der gleichen Unbefangenheit an die Umwälzung von Staat, Nation und Kirche, mit der er sich zu einem Ikebanakurs der Volkshochschule anmeldet.
Ihre Beziehung scheiterte, als sich herausstellte, dass ihre Katze gegen ihn allergisch war.
Wenn die Theologen anfangen, wie Soziologen zu sprechen, dann ist Gott von ihnen verlassen.
“Europa ist unsere Zukunft, das wird furchtbar.”
MATTHIAS BELTZ
Wenn für alle nur noch der Weg das Ziel ist, bleibt eben so manches auf der Strecke.
Zu den fremden Zungen, in denen die Jünger an Pfingsten redeten, gehörte sicherlich nicht das Geseiere unserer modernen Soziologen oder das manipulative Rotwelsch der Politiker.
“Wer jeden Menschen schlechthin in seiner bloßen Menschlichkeit akzeptiert und ihm schon in dieser Daseinsqualität den höchsten Wertrang zuspricht, kann die Ausbreitung dieses Akzeptierens nicht mehr begrenzen, denn auf dieser Bahn gibt es keinen Halt. Die Handlungen und Gedanken der Menschen, ihre Bosheiten, Tugenden und Laster, Künste und Spiele, Klugheiten und Narrheiten - nichts wird von der Geltung ausgenommen, außer allein die Behauptung und Haltung, die erkennen läßt, daß irgendetwas nicht gelten soll - wer das sagt, hat ‘Vorurteile’ und kommt nicht in Betracht. Der politische Nutzen dieses Ethos ist eklatant, er besteht in der Chance, vom künftigen Sieger verschont zu werden, wenn man es ihm beibringen kann; über den unmittelbaren Kassennutzen braucht man kein Wort zu verlieren.”
ARNOLD GEHLEN
“Das zu entwickeln, blieb unserem Jahrhundert vorbehalten: die Moral, nämlich die humanitäre des ethisierten Wohlstandes, in großartigem Siegeszug, und die Sitten in vollem Verfall.”
ARNOLD GEHLEN
“Die aus der Ethik des Massenlebenswertes an den Staat zu richtenden Ansprüche sind bekanntlich unbegrenzbar und in sich nicht widerspruchsfrei, sie setzen ihn unter einen nicht mehr kontrollierbaren Sozialdruck, und schließlich soll er möglichst viel leisten, um den Wohlstand Aller zu garantieren, und zugleich möglichst verschwinden, um die Freien mit Pflichten zu verschonen; so wird er immer allgegenwärtiger und zaghafter [...].
Jenes Ideal des größten Glücks der größten Zahl und des Massenlebenswertes, so könnte man folgern, ist nicht allen Herausforderungen gewachsen, denen eine Gesellschaft sich ausgesetzt sehen kann; denn es sind Situationen denkbar, in denen man mit einer solchen Einstellung ohmächtig wird oder erblindet. Dächte man sich eine hochentwickelte, politisch aber aufgabenlose und sonstwie hinfällig gewordene Überflußgesellschaft, so würde eine Hypertrophie des privatisierten Wohlstandes schließlich das Organ für die Risiken verkümmern lassen, und die euphorische Mythologie einer Kultur für Alle könnte ihre bekannten Folgen in Richtung der Farce entfalten. Dem frivolen Jargon der Publizisten ließe sich die Sachdeckung kaum noch bestreiten, und man wäre im öffentlichen Leben zuweilen in Verlegenheit, ob karnevalistische oder psychiatrische Kategorien angemessener wären. Wer dann unzeitgemäß auf Risiken aufmerksam machte, stieße wohl auf die Antwort, die in antiker Drastik schon Metrodor von Lampsakos fand: ‘Es lohnt sich nicht, die Griechen zu retten, sondern essen soll man und Wein trinken.’”
ARNOLD GEHLEN
Und Abends erfährt der aufgeklärte und mündige Bürger dann aus dem Fernsehen, was er denkt.
Angesichts einer modernen Gesellschaft, die sich immer weiter von Gott entfernt, empfehlen die Wortführer der Progressiven, die Kirche solle, um 'lebensnahe Antworten' bieten zu könnnen, der Gesellschaft auf diesem Weg folgen. Gegen die Stringenz dieser eigentümlichen Logik kann kein Argument ankommen.
Die moralischen Kräfte der Moderne arbeiten beharrlich an der Erweiterung des Nadelöhrs und parallel dazu an der Verkleinerung des Kamels.
"Daß wir in einer reich unterrichteten Weltfremdheit leben, ist schon von vielen Seiten beschrieben worden [...]. Als störend empfinde ich endlich, daß die Publizistik gegenüber den Massen eine penetrant pädagogische Haltung einnimmt, die in das Pflegerische übergeht, so daß ein lazaretthafter Zug die Publizistik wie auch die Gesetzgebung durchweht. Das Vertrösten, Abschwächen, Beschweigen, die schonende Diskretion und die Verabreichung von Placebos - dies alles hat sich wie von selbst aus der Taktik gewaltlosen, die Widerstände umgehenden Einwirkens ergeben. Das muß wohl so sein, wenn man Millionen ichbezogener, nicht mehr recht glaubensfähiger, aber rechnender und daseinsbilanzierender Menschen dennoch zusammenhalten und von Zeit zu Zeit richtungspolitisch ansprechen muß, damit der Wahlvorgang ungestört weiterläuft."
ARNOLD GEHLEN
Nazis sind Linke, die versuchen ohne PR-Berater auszukommen.
Wer von sich sagt, dass er seinen Beruf ergriffen hat, weil er gerne mit Menschen arbeitet, ist entweder Pathologe oder Scharfrichter.
Die zunehmende Akademisierung der westlichen Gesellschaften läßt sich auch daran ablesen, dass die Menschen ihre Dummheit nicht mehr mit ihren eigenen Worten, sondern durch die offiziösen Phrasen zum Ausdruck bringen.
Wem wir das Wasser nicht reichen können, dem pinkeln wir eben ans Bein.
Die Epochen, in denen die Kirche als 'zeitgemäß' gelten konnte, waren zugleich die Epochen ihrer tiefsten und finstersten Verweltlichung.
Je mehr die Politiker betonen, den Bürger mitnehmen zu wollen, desto mitgenommener nimmt der Bürger sich aus.
Ein Fund im Antiquariat: Die Wahl der Qual. Lehrbuch für den angehenden Folterknecht. Berlin (Ost) 1953. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1935.
Und samstagnachmittags klickt sich der moderne Priester von heute seine Predigt im Internet zusammen.
“Ich bin 'fortschrittlichen', von Mutter Natur stiefmütterlich behandelten Geistern begegnet, die auch die Kirche demokratisieren wollten - schließlich ist der 'moderne Mensch' höchst totalitär. Bischofskandidaten sollten Wahlreden halten, und bei einer Briefwahl des Papstes durch das Kirchenvolk würde der photogenste und 'weitherzigste' Kandidat mit Hilfe der finanzkräftigsten Lobby gewählt werden.”
ERIK von KUEHNELT-LEDDIHN
In der DDR dienten die linientreuen Journalisten, anders als heute, dem werktätigen Volk. War kein Toilettenpapier mehr zu bekommen, griff man zum 'Neuen Deutschland'.
Wenn es das Anliegen von Jesus Christus gewesen wäre, seine Lehre an die Lebenwirklichkeiten der Zeit anzunähern, wäre er nicht auf einen Berg gestiegen, um zu predigen, sondern hätte im Tempel von Jerusalem eine Wechselstube errichtet.
Der moderne Mensch ist erfreut, in einer befreiten Welt zu leben, die ohne den Begriff der Sünde auskommt und
wundert sich dann, dass er sich auf niemanden mehr verlassen kann - am wenigsten auf sich selber.
Die Kirche ist die auf Dauer gestellte Hoffnung, die nicht von dieser Welt ist. Sie ist somit keine 'andockungsfähige' NGO, kein einträglicher Sozialkonzern und auch keine staatsdienliche 'Zivilreligion'.
Er guckte schwerhörig.
Die technische Eigenlogik der Massenmedien führt zur Verdrängung der Argumentation durch die Agitation. Sie stellen daher das natürliche Kommunikationsorgan der modernen Massengesellschaft dar, die in ihrer Gesamtheit der gleichen Tendenz folgt.
Dass ein Theologe sich von Gott abwendet, erkennt man zuerst daran, dass er sich irgendeinem modernen Philosophen oder Soziologen zuwendet.
Wenn die Katze erstmal aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse solange auf dem Tisch, bis die Ratten kommen und zur neuen Ordnung rufen.
Jetzt, da alle beanspruchen, 'pragmatisch' zu handeln, funktioniert zusehends gar nichts mehr. Es fehlt eben an der Macht der koordinierenden, leitenden und beschränkenden Prinzipien, die die gesellschaftliche Evolution über die Jahrhunderte ausgelesen hat, um den Menschen erst ein vernünftiges und damit berechenbares Verfolgen ihrer Zwecke zu ermöglichen.
“Das größte Problem, das ich mit der Moderne habe, besteht wohl in der zunehmenden Kluft zwischen dem Ethischen und dem Legalen.”
NASSIM NICHOLAS TALEB
“Wer nicht dazu in der Lage ist, spontan (also ohne analytisch vorzugehen) den Unterschied zwischen dem Heiligen und dem Profanen wahrzunehmen, der wird nie verstehen, was Religion bedeutet. Er wird auch nicht in der Lage sein, das zu verstehen, was gemeinhin Kunst genannt wird. Letztlich versteht er überhaupt nichts.”
NASSIM NICHOLAS TALEB
In unserem privaten Umfeld würden wir Individuen, die versuchen, uns zu manipulieren, die zu Lüge und Intrige greifen, um ihren Willen durchzusetzen und uns diesen, wenn sie es denn vermögen, schließlich durch bloße Macht aufzwingen, zuverlässig als menschlichen Abschaum identifizieren. Tragen diese Individuen jedoch ostentativ hehre Ideale vor sich her, so nennen wir sie plötzlich 'Politiker' und zollen ihnen Achtung und Respekt.
Vermutlich der größte Irrglaube der progressiven Priester ist ihre Ansicht, die Menschen gingen wegen der Predigten in die Messe.
Auffällig ist, dass man aus den Mündern all jener 'mündigen Bürger' immer nur die gleichen Worte vernimmt, nämlich die offizösen und medial verbreiteten Phrasen.
Ein Linksliberaler ist ein Mensch, dessen Einkommen hoch genug ist, um es sich leisten zu können, auf Stehpartys die Ansicht zu vertreten, dass die Linke moralisch im Recht ist, der aber den Aspekt der Massengräber diskret behandelt wissen möchte.
Wem auch immer Kirchen dienen, die zu Dependancen der herrschenden Parteien und Mächte herabgesunken sind: sie dienen sicherlich nicht Gott.
Die überbordende Bedeutung des Superlativs in der Alltagsrhetorik der Moderne kontrastiert in eigentümlicher Weise mit ihrer faktischen Mediokrität.
Die Neoliberalen privatisieren das Politische, die Linken politisieren das Private. Der Bürger darf sich damit beruhigen, dass dies alles auf demokratischer Basis fußt.
Ohne die Stimme der Kirche in ihrer überlieferten Form füllt diese Welt das Geschrei des Marktes und das Gewisper des Parteienklüngels restlos aus.
Statusinkongruenz: Die progressiven Priester streben danach, ihren sozialen Status mit ihrem nicht zur Diskussion stehenden beamtengleichen ökonomischen Status in Einklang zu bringen. Bald werden sie darüber klagen, am Sonntag arbeiten zu müssen.
Arbeitsteilung: 'Von Beruf bin ich Fliesenkleber.' - 'Sie meinen sicherlich >Fliesenleger<?' - 'Nein, das macht der Kollege.'
“Exakt wird alles in dem Maße, in dem das Vorhandene abnimmt.”
FRIEDRICH GEORG JÜNGER
“Freiheitsliebende Völker dulden keine Pensionen.”
FRIEDRICH GEORG JÜNGER
“Wo die Grenzen enden, tauchen Ungeheuer auf.”
FRIEDRICH GEORG JÜNGER
Ein Aktivist ist ein Mensch, den - angesichts seiner verwüsteten Seelenlandschaft - ohne seinen Aktivismus der horror vacui überwältigen würde.
Der menschliche Charakter, der eigentlich Endprodukt eines langen organischen, aus Erziehung und Erfahrung gespeisten Prozesses sein sollte, nimmt sich bei vielen Individuen eher wie die versteinerte Schreckensstarre einer zufälligen Augenblickskonstellation aus.
Das Ethos des Liberalen ist so großherzig, dass er dem Kranken und Gebrechlichen nicht nur das Recht auf den Freitod zugesteht, sondern ihm gegen Entgelt auch noch das Gift dazu reicht.
Jesus Christus lies von seinen Jüngern Brot und Fisch an die Hungernden verteilen. Die moderne Kirche verteilt in seiner authentischen Nachfolge Gehälter an Verwaltungsbeamte und progressive Aktivist*innen.
Das trotz der Werke von Karl Kraus und Heinrich Mann die Journalisten den Nimbus genießen, als moralische Instanz zu gelten, zeigt, wie wenig Literatur und wie viel penetrantes Selbstmarketing zu bewirken vermögen.
Als seine Mutter Kevin dazu aufforderte, nun endlich sein Kinderzimmer aufzuräumen, machte Kevin die epochale Entgegnung, dass man erst eine gesamteuropäische Lösung anstreben müsse.
Eine 'andockungsfähige' Kirche anzustreben, meint nichts anderes, als auf die einträgliche promiskuitive Vereinigung mit den Mächten und Gewalten dieser Erde hinzuarbeiten.
Die Händler und Geldwechsler, die Jesus Christus einst aus dem Tempel vertrieb, haben sich längst einträglichere Geschäftsfelder gesucht. Heute stünden zur Austreibung die Soziolog*innen und Politiker*innern an.
Durch die technische Eigenlogik der Massenmedien wird vieles gesagt, nicht etwa, weil es gesagt werden muss, sondern weil irgendetwas gesagt werden muss.
Es empört den progessiven Linken, dass wir nicht bereit sind, unsere Vorurteile aufzugeben, um die seinen zu übernehmen.
Menschliche Nähe: Nachdem Elfriede Krautschnebler ihrer nahezu ertaubten Nachbarin Jolande Pfefferkraut über den gemeinsamen Gartenzaun hinweg anvertraut hatte, sie sei nach Ansicht ihres Ehemannes einfach zu hellhörig, verbreitete sich im Viertel in Windeseile das Gerücht, die Hausfrau Krautschnebler sei einem Zuhälter hörig.
Nichts ist lächerlicher als ein Philosoph, der sich beim Denken fürs Fernsehen ablichten läßt.
Ein Maientag: Legt sich der Hinnerk nackt und lose auf des dunklen Waldes grüne Moose, so krabbelt ihm in munterer Pose ein Käfer in die lässig abgelegte Hose, welcher auf dem Heimweg ihm ganz famose kneift in seine beste Chose. Der Hinnerk, fluchend wie ein Matrose, fängt den Übeltäter in einer leeren Dose und verarbeitet diesen mit triumphierendem Getose zu Hause zu leckerer Maienkäfersoße.
Georges Sorel oder Die Geburt des Faschismus aus dem Geiste der linken Korruption.
“Politik ist die Kunst, die Leute daran zu hindern, sich um das zu kümmern, was sie angeht.”
PAUL VALÉRY
Das noch vor hundert Jahren alltägliche Schimpfwort 'Koofmich' ist aus dem deutschen Sprachschatz vollständig verschwunden. Der Begriff hat in unserer Zeit schlichtweg seine soziologische Trennschärfe eingebüßt.
Das Schicksal der Idiotie im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit.
Eine der wenigen intellektuellen Vergnügungen, die uns die Moderne in ihrer bunten Tristesse belassen hat, findet sich in dem kunstfertigen Herauskitzeln der unter- und zugleich abgründigen Bosheit, die allen progressiven Gutmenschen eigen ist.
Wanderers Frust: Wenn kleine, freche Meisen dem Wanderer beim Reisen gehörig auf den Kopfe scheißen, so dass ihm die Gesichtszüge entgleisen und Hut und Laune rasch verschleißen, dann werden diese dreisten Meisen nur noch “übles Federvieh” geheißen und während sie noch höhnend Zoten reißen, vom Ast geschoßen mit glühendem Eisen.
Im modernen progressiven Spießer vereinigt sich die Mentalität der Hippies mit dem Pochen auf die erworbenen Rentenansprüche.
”Wenn es einen Umstand gibt, der bekannt ist und zugleich unerklärlich, dann ist es die Tatsache, dass Gott das alles erträgt."
LÉON BLOY
Das progressive Gedankengut ist die heiße Luft mit der sich die Mediokrität aufzublähen pflegt.
Die Progressiven aller Couleur wollen ihr Zerstörungswerk als 'Befreiung' tituliert wissen.
Ein moderner Politiker ist so stark damit beschäftigt, Haltung zu zeigen oder auch Zeichen zu setzen, dass es ihn irritiert, wenn man von ihm die Lösung eines Problems einfordert.
Der typische Progressive kompensiert seine intellektuelle Minderbemitteltheit mit intellektueller Unredlichkeit.
Man bezeichnet einen Politiker gemeinhin dann als eloquent, wenn er sich beim Phrasendreschen ehrliche Mühe gibt.
The Theory of the Critical Class: Die Anziehungskraft der progressiven Ideenwelt beruht auf ihrer Funktion als kostengünstige Quelle der gesellschaftlichen Distinktion, die auch jenen Individuen offensteht, die sich den demonstrativen Konsum nicht leisten können.
“Diese Leute sind so voll von ihren Theorien über die Rechte des Menschen, daß sie seine Natur gänzlich vergessen haben.”
EDMUND BURKE
“Ich begreife nicht, wie es irgendein Mensch bis zu einer solchen Raserei des Eigendünkels gebracht haben kann, daß er sein Vaterland wie ein Stück weiß Papier ansieht, worauf er kritzeln kann, was ihm beliebt.”
EDMUND BURKE
Die Katholische Kirche in Deutschland ist zur genossenschaftlich verwalteten Pfründe des ZdK herabgesunken.
Der moderne Mensch ist bemüht durch den technischen und ökonomischen Fortschritt die Tragik aus seinem Leben zu verdrängen, um der Banalität den nötigen Raum zu gewähren.
Wer nie ein Buch gelesen hat, bleibt zwangsläufig dumm.
Wer hingegen nur ein Buch gelesen hat, wird zwangsläufig der Borniertheit anheimfallen.
Die banale Bosheit der Guten. Diese tritt immer dann zu Tage, wenn sie sich ertappt wissen.
Indem die Moderne in ihrer aktuellen Degenerationsphase das Intime zum zentralen Politikum erhebt, verwandelt sie den öffentlichen Diskurs unweigerlich in eine Form von Pornographie und das Intime in alltäglich gelebte Prostitution.
Für den modernen Menschen bezeichnet der Begriff 'Kultur' ein Marktsegment.
Völker haften für ihre Eliten.
"Man weiß so gut, dass man sich mit uns Katholiken alles erlauben kann!"
LÉON BLOY
Die Moderne hält uns dazu an, 'pragmatisch', 'flexibel' und 'undogmatisch' zu sein, und erzieht sich so jenes charakterlose Lumpenpack, welches sie benötigt, um noch einige wenige Jahrzehnte weiter zu degenerieren.
“Wer glaubt, muß barmherzig sein, daran ist kein Zweifel; aber er kann nicht unbedingt tolerant sein.”
JOSEPH de MAISTRE
Das politische Geschehen unserer Gegenwart ist durch den Umstand geprägt, dass der moderne Spießer seine Neurosen nicht länger zum Psychiater, sondern in die Öffentlichkeit trägt.
Die Rede von den 'Zeichen der Zeit' als 'neuer Form der göttlichen Offenbarung' ist die rhetorische Umschreibung für das Wittern von Opportunitäten.
”Gott hat den Menschen aus dem irdischen Paradies vertrieben. Der Mensch von heute vertreibt Gott von der ganzen Erde.”
LÉON BLOY
"Die Christen sollten immer über Abgründen leben."
LÉON BLOY
Der heroische Marsch der Linken durch die Institutionen wurde zumeist bequem im Sitzen absolviert. Dieser Vorgang war letztlich nur auf der Grundlage der innigen Wahlverwandtschaft zwischen Beamtentum und Sozialismus möglich.
Wenn man sich plötzlich unter Menschen wiederfindet, deren Reden und Tun sich nur um Sex und Macht dreht, so ist man entweder auf den örtlichen Straßenstrich oder aber auf den Synodalen Weg geraten.
Jesus Christus versuchte auch die Zöllner an sich zu ziehen. Die Zöllner - aber nicht das Zöllnertum.
Der Beifall, der Bismarck von den Altkatholiken und Hitler von den Lutheranern zuteil wurde, läßt uns erahnen, was wir von einer zeitgemäßen Kirche zu erwarten haben.
Die Anstrengung, die es kostet, einem Außenstehenden die Inhalte und die Bedeutung eines der modernen Berufe zu erläutern, verhält sich umgekehrt proportional zu der Anstrengung, die es kostet, den jeweiligen Beruf auszuüben.
“Der Zynismus liegt in der Sache und nicht in den Worten, welche die Sache bezeichnen."
KARL MARX
Die Basis der Moderne stellt jener Typus des charakterlosen Menschen ohne Eigenschaften dar, dem es nach einer 'Bewegung' verlangt, die ihm eine Rolle und dazu auch den Text vorgibt.
In Jesus Christus nur einen von mehreren 'maßgebenden Menschen' (K. Jaspers) zu sehen, ihn als eine sonderbare historische Gestalt zu betrachten, von der zufällig einige interessante und womöglich gesellschaftlich nützliche ethische Maximen überliefert sind, ist die moderne Variante jener Haltung, die den lieben Gott einen guten Mann sein läßt. Zugleich ist diese Haltung der geistige Kern der sogenannten progressiven Theologie.
Alle siegreichen Revolutionen enden damit, dass sie den Beamtenapparat vergrößern.
Heute ist derjenige der Souverän, der darüber entscheidet, was ein Einzelfall ist.
Wer Bedarf nach kultureller Bereicherung bekundet, muss zuvor kulturell verarmt sein.
Beim Predigen in der Kirche ist es wie in der Literatur: Wer uninspiriert ist oder schlicht nichts kann, der macht in Politik.
Die Liste der Sekundärtugenden, die man benötigt, um die westlichen Gesellschaften und ihre Institutionen zu zerstören, ist lang: Geistige Ignoranz, moralisch-charakterliche Flexibilität und rhetorische Penetranz sind nur die drei wichtigsten.
"Eine Nation, noch mehr eine Zivilisation, verschwindet, wenn in ihr die Verbote verschwinden."
E.M. CIORAN
"Alle westlichen Nationen - opulente Leichen."
E.M. CIORAN
Banalität und Obszönität sind die beiden Gesichter der Moderne.
Die aktuell zentralen geistigen Protagonisten der Moderne sind Gnome auf den Schultern von Zwergen.
Nunmehr ist die Kirche in Deutschland also in die Hände jener gefallen, die von der Kirche leben, obgleich sie für die Kirche leben sollten.
Betrachtet man es genau, so halten sich in unserem Leben Pech und Unglück exakt die Waage.
”Man darf sich also nicht in Sicherheit wiegen, indem man denkt, die Barbaren seien noch weit von uns entfernt; denn gibt es Völker, die sich das Licht aus den Händen reißen lassen, so gibt es andere, die es mit ihren Füßen selbst zertreten.”
ALEXIS de TOCQUEVILLE
Die Progressiven in der Kirche haben inzwischen selbst jenes Gefühl für Stil verloren, welches die Atheisten noch besitzen, die beim Besichtigen eines alten Doms den Hut abnehmen.
Frau Dr. Elfride Leuthschrecker-Schmarrenberger, das erzliberale Urgestein.
Wenn die Kirche für sich zu werben sucht, indem sie ihre gesellschaftliche Nützlichkeit hervorhebt, so werden sich bald gesellschaftliche Kräfte finden, die sich anschicken, die Kirche zu benützen.
Pontius Pilatus, der die wahrhaft philosophische Frage aufwarf, was denn Wahrheit sei, um sich dann um deren Beantwortung nicht weiter zu scheren, war der erste der postmodernen Intellektuellen.
Die Couchameise (Formicula lecti - Artolaganus 2014), eine aus Nordamerika eingeschleppte Kulturfolgerin, die sich in Wohnzimmern jeglicher Größe ansiedelt, um dort die auf der obligatorischen Couch lebenden menschlichen Individuen zu befallen, in deren Körperöffnungen sie Pilze züchtet, die dann als Futter für ihre Brut dienen. Das staatsbildende und -tragende Insekt, welches in der Regel komplexere Sozialformen ausbildet, als seine Wirtsmenschen, schwärmt dabei vor allem in nächtlichen Stunden aus, um Überreste von Kartoffelchips, Salzstängchen oder Schokolade einzusammeln, die es als Nährboden für die Pilzkulturen nutzt. Die Ameise schützt durch aggressives Verhalten ihre Wirte und das von ihnen bewohnte empfindliche Ökosystem auch vor störenden externen Elementen, wie etwa außenstehenden menschlichen Individuen oder Haustieren, durch deren Kontakt ihre Wirte eventuell angetrieben werden könnten, das geschützte Areal der Wohnung zu verlassen. Biologen konnten sogar feststellen, dass in vielen Wohnzimmern die Couchameisen inzwischen die Kontrolle über die Fernbedienung und damit auch über das Fernsehprogramm übernommen haben, immer mit der Absicht, das Essverhalten ihrer Wirtsmenschen im Sinne ihrer Pilzkulturen zu optimieren. Die deutschen Privatfernsehbetreiber haben folgerichtig die eingewanderten Insekten als stark marktbestimmenden Faktor erkannt und richten ihre Werbe- und Unterhaltungssendungen deutlich auf die Bedürfnisse der Couchameise aus.
Die alte Kirche liebte den Sünder und hasste die Sünde. Die neue Synodale Kirche liebt hingegen die Sünde und betrachtet die Sünder als nützliche Idioten.
"Die Kirche hat mit Hilfe ihrer Buß- und Beichtordnung das mittelalterliche Europa domestiziert."
MAX WEBER
Die Begriffe 'Rechts' und 'Links' bedeuten in der Politik nicht etwa fundamentale Unterschiede im Handeln und Denken, sondern lediglich die Richtungen, aus denen sich der Pöbel den Fleischtöpfen der öffentlichen Kassen zu nähern sucht. Als 'Mitte' pflegt sich dabei jene Clique zu bezeichnen, die momentan den Platz an diesen Fleischtöpfen erfolgreich besetzt hält.
Kurze Philosophie des Fernsehens:
1. Ereignisse, die nicht von Kameras eingefangen wurden, haben niemals stattgefunden.
2. Thesen, die sich nicht in wenigen abgegriffenen Phrasen wiedergeben lassen, müssen auf einer Lüge beruhen.
3. Individuen, die im Bild nicht nett und attraktiv erscheinen, müssen Verbrecher sein.
Diese Philosophie beansprucht dabei ungedingte Universalität über das Medium Fernsehen hinaus.
Der Bund der Geistfreien.
Es wird der spezifische Ehrgeiz der neuen Synodalen Kirche sein, als Fahrstuhlmusik der Moderne zu fungieren.
Die modernen Wissenschaften sprechen das Individuum von jeglicher Schuld gegenüber Gott und seinen Mitmenschen frei, um ihm die volle Verantwortung für die Gesellschaft, die Geschichte und sogar die natürliche Umwelt aufzuerlegen.
Die Politisierung der Kunst findet ihre stringente Fortsetzung in der Ästhetisierung der Politik.
Dem Dichter Brecht wären die heutigen Linken so befremdlich, dass er ihr Gebaren in einem Stück mit dem Titel “Der diverse Mensch von Bielefeld” episch verfremden würde.
"Alle früheren Zeitalter fühlten sich irgendwo verankert und waren es infolgedessen auch."
HANS FREYER
"Die Beschreibungen des Zerfalls der Kultur in der Massengesellschaft setzen sich rasch dem Vorwurf der Romantik aus. Aber die Darstellung dessen, was im Schwinden begriffen ist, drückt vielmehr das Negative des Gegenwärtigen aus, sie bedeutet weit mehr das Elend des Bestehenden, als daß sie beanspruchen dürfte, den Glanz des Vergangenen zu schildern. Eben weil sie das fühlen, sind heute die Reaktionäre gegen die Vergangenheit. Die Rollen sind vertauscht. Das Lob des Alten wird verdächtig und das Vertrauen in die Zukunft konventionell. Die Analyse des Leidens, aus dem diese neue Romantik entspringt, wäre die des Drucks der Realität. Solange auf ihn nicht direkt und schonungslos reflektiert wird, bleiben die Beschreibungen der Massengesellschaft bloß eine Art Ablenkung; man verkleidet die Misere in der rücksichtslosen Industriegesellschaft als Schmerz um Kultur. Das ist ein Alibi für die Intellektuellen, die die Misere nicht beim Namen nennen wollen."
MAX HORKHEIMER
"Die ungeheure Wichtigkeit, mit der die Dinge des Tages, die großen und kleinen, heute genommen werden, bezeichnet den Zerfall der Zivilisation und liegt zuletzt auch den Händeln zwischen den Nationen, ja der inneren und äußeren Ungerechtigkeit, der Verabsolutierung der Macht zugrunde, ist vielmehr damit identisch. Die Wahrheit des Christentums tritt mit seiner Aushöhlung, seinem Herabsinken zur bloßen Ideologie an den Tag. Das Verschwinden dessen, was in Europa Kultur hieß, ist eins mit der Verabsolutierung des Diesseits, die durch das Schwinden des Aberglaubens ans Jenseits entfesselt wird. Bei der Mehrzahl der herrschenden Christen war es immer schon so."
MAX HORKHEIMER
Arglosigkeit ist heute womöglich zugleich unsere größte Schuld, wie auch unsere einzige Entschuldigung.
Obgleich die Linken und Progressiven ungemein viele Worte machen, empört es sie regelmäßig, wenn man sie bei denselben zu nehmen sucht.
Wird ein Gelehrter im Fernsehen zitiert, so kann er daraus für sich ableiten, dass er entweder tot oder so bedeutungslos ist, dass er für propagandistische Pädagogik verwendbar ist.
Die weltkluge Betriebsamkeit des Bürgers, die heilsversprechende Geschwätzigkeit des Politikers und nicht zuletzt die obszöne Banalität des Spießers sind nicht erst mit der Partei der Synodalen in die Kirche eingedrungen. Vielleicht muss man ihr erstes Erscheinen im Protest des Judas gegen die Verschwendung des Nardenöls verorten.
"Religion kann man nicht säkularisieren, wenn man sie nicht aufheben will."
MAX HORKHEIMER
"Der Protestantismus macht aus dem Christentum eine Karikatur."
MAX HORKHEIMER
Die Fassade der einst katholischen Kirche in Deutschland wird wohl nur noch von den Rentenansprüchen ihrer Funktionäre und den von den Priestern noch abzuzahlenden Raten für deren SUVs zusammengehalten.
Wenn sich der Staub, den wir in unserem Leben aufgewirbelt haben, endlich gesetzt hat, werden wir durch ihn zu Kreuze kriechen müssen.
Die progressive Theologie versteht sich heute als Magd der Soziologie, wie es die Philosophie nach 1968 tat. Ihre Ohren, die sich in höchster Aktualität den 'Offenbarungen der Zeit' öffnen wollen, lauschen in Wirklichkeit den ausgeleierten ‘Oldies’ im Randgruppenprogramm für Senioren.
Zu den unzweifelhaften Errungenschaften der Moderne gehört auch die Tatsache, dass in ihr der Idealismus einträglich geworden ist.
Qualitätsjournalismus: Eine Stunde, nachdem Kardinal Woelki mit der Feststellung, dass heute aber sehr schönes Wetter herrsche, auf die Straße getreten war, verbreitete sich in der Presse die Nachricht, Woelki sei ein Klimaleugner.
Der euphorische ist der dümmste aller Gesichtsausdrücke.
Es gibt bekanntlich kein richtiges Leben im falschen. Dafür gibt es das wahre Leben im Fernsehen.
Wir vermögen es, unser Leben zu beenden, aber wir können es nicht ungeschehen machen. Letztinstanzlich bleibt unser Dasein unverfügbar.
Es gibt einen allerdings sehr schmalen Grat des ehrlichen Mutes zur Verzweiflung, der nur zu wahrer Erlösung führen kann.
Das moderne Denken ersetzt den Begriff der Wahrheit durch den Begriff des Willens. Ob dieser Wille einem genialischen Übermenschen oder 'kommunikativ handelnden' Kollektiven zugeordnet wird, läuft auf das gleiche praktische Resultat hinaus.
“Unglücklicherweise wird Macht in einer oder der anderen Gestalt immer vorhanden sein und alle Erschütterungen überleben, in welchen Sitten und Meinungen untergehen: nimmt man ihr daher die Mittel, durch welche sie sich bisher erhielt, so wird sie andere suchen und schlimmere finden.”
EDMUND BURKE
Die inzwischen gängige Rede vom 'Haltung zeigen' und 'Zeichen setzen' impliziert ein magisches Denken, welches inbrünstig hofft, die ausgeblendete bedrohliche Realität rituell bannen zu können.
Heute wollen diejenigen den Ton angeben, die keinen Ton halten können.
“Doch was ist Freiheit ohne Weisheit und Tugend? Das größte aller möglichen Übel; nichts weiter als Torheit, Laster und Wahnsinn ohne Aufseher und Zügel.”
EDMUND BURKE
Diejenigen, die sich heute damit brüsten, zeitgemäß zu sein, dürfen sich sicher sein, dass ihnen diese nobilitierende Eigenschaft zu allen Zeiten zu eigen gewesen wäre.
Es überläuft einen der kalte Schauer, wenn man sieht, welche hasardierenden Gestalten es heute wagen, sich ihres nicht vorhandenen eigenen Verstandes zu bedienen.
"'Etre absolument moderne' ist der spezifische Ehrgeiz des Kleinbürgers."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
Radikal sein meint bekanntlich, die Dinge bei der Wurzel zu fassen. Liberal sein hingegen meint, die Wurzel auszugraben und dann meistbietend zu verscherbeln. Diese Transaktion setzt dabei die Wühlarbeit der Radikalen voraus.
Unverstanden: Es scheint das tragische und unaufhebbare Schicksal aller progressiven Philosophien zu sein, daß sie, folgt man den Klagen ihrer Schöpfer, sowohl von ihren reaktionären Gegnern, wie auch von ihren terroristischen Anhängern stets missverstanden werden. Somit füllen die hermeneutischen Irrwege nicht nur Bibliotheken, sondern auch Massengräber.
Der Anglerhecht (Esox hamiota - Artolaganus 2013), ein ehemals seltener, sehr großer Raubfisch der mitteleuropäischen Süßgewässer, der sich darauf spezialisiert hat, Angler an den von ihnen ausgeworfenen Haken ins Wasser zu reißen, um sie dann in einem Stück zu verschlingen. Charakteristisch für den Anglerhecht ist eine nahezu unstillbare Gier, aber auch eine sehr langsame Verdauung. So konnten in einem Fall im Magen eines erlegten Tieres dieser Spezies die Überreste von drei Anglern gefunden werden, die sich offensichtlich die Zeit bis zu ihrem Ende mit einer längeren Skatpartie vertrieben hatten. Die wachsende Population des Anglerhechts zeichnet für die zunehmende Ausdünnung deutscher Anglervereine verantwortlich, was nicht selten zu deren endgültigen Auflösung führt. Biologen der Universität Zotenburg haben dies etwa in einer Studie am Beispiel des Anglervereins von Bad Salz-Schmöcklein dokumentiert, in der auch gezeigt wurde, dass die mehr und mehr verängstigten und dezimierten Angler in neue, weniger exponierte Biotope verdrängt werden. So setzen viele der verbliebenen Petri-Jünger harmlose Blaukarpfen oder gar große Goldfische in ihre heimischen Badewannen, um diese von der sicheren Toilettenschüssel aus zu erangeln. Die Autoren der Studie vermuten, dass sich aufgrund dieses Rückzugs der Beutetiere des Anglerhechts die Bestände dieses imposanten Raubfisches langfristig auf einer niedrigeren Ebene wieder einpendeln werden, was dann kommenden Generationen von nachwachsenden Anglern auch wieder Überlebenschancen in der freien Wildbahn eröffnen wird. Handlungsbedarf, so die Autoren, bestehe daher aktuell keiner. Man müsse einfach dem freien Spiel der Naturkräfte seinen Lauf lassen.
Parnass: Auf die Höhe seiner Zeit steigt man wohl vornehmlich auf, um auf seine Mitmenschen verächtlich herabsehen zu können, muss dabei freilich die Enge auf diesem stets von den Massen bevölkerten Gipfel in Kauf nehmen.
“Das Leben eines jeden Menschen ist wenn man es im Ganzen übersieht ein Trauerspiel; im Einzelnen betrachtet aber ein Lustspiel. Das Leben des Tags, die Plage des Augenblicks, das Wünschen und Fürchten der Woche, die Unfälle jeder Stunde sind lauter Komödienscenen. Aber das vergebliche Streben, die zertretene Hoffnung, die unseligen Irrthümer des ganzen Lebens, und der Tod am Schluß, sind immer ein Trauerspiel.”
ARTHUR SCHOPENHAUER
Das Beängstigende an den modernen Massendemokratien ist nicht der statthabende Wahlakt als solcher, sondern daß dieser angeleitet wird von den gleichen Massenmedien, durch die man auch darüber belehrt wird, daß sieben Fässer Wein uns nicht gefährlich sind oder daß die Geschichte der Menstruation eine Geschichte voller Missverständnisse ist.
Wer alles in Frage stellt, kann sicher sein, dass seine eigenen Antworten nicht hinterfragt werden.
“Es gibt Narrheiten, die den Tadel mutlos machen, die weit über die Lächerlichkeit hinaus sind und keine andere Empfindung mehr wecken - als Ekel.”
EDMUND BURKE
Was kein Progressiver je verstehen wird, ist, dass es tiefe Bindungen braucht, um ein autonomer Mensch zu sein.
Er war ein Unhold, gefangen im Körper eines Rüpels.
"Wenn eine Sache, die gemacht werden muss, nicht gemacht worden ist, dann verfolgt sie den Menschen unendlich lange, bis in die ewigen Brunnen hinab."
LÉON BLOY
"Jedem Menschen ist bei seiner Geburt ein Ungeheuer beigegeben. Die einen bekriegen es, die anderen lieben es."
LÉON BLOY
Unkenrufe: Wenn im Frühjahr liebestrunken und in kühlen Pfützen tief versunken, die Schar der männlichen Gelbbauchunken, hoffend, es werde bei einem Weibchen funken, mit ihren tiefen Stimmen stolz noch prunken, dabei den prächtigen gelben Bauch ins Wasser tunken, dann wird meist von prüden Lurchinnen spröde abgewunken, so dass sich die Lurche wiederfinden in finsteren Spelunken, in denen sie, sinnlos und abgrundtief betrunken, sitzen unter glorarmen, dafür wortreichen Halunken, die die enttäuschten Burschen, welche wirken wie altbackene Runken aus dem fernen und traurigen Dreihunken, mit Argumenten, welche allesamt sind erlogen und erstunken, anheuern zum Dienst auf chinesischen Dschunken, mit deren Mannschaften die Unken, so hört man, am Ende alle im unendlichen Pazifik sind ertrunken.
Eines der größten Rätsel der Menschheit bleibt die Frage, wie man gleichzeitig im Gedanken und in Zotenburg sein kann.
Die größte Beachtung schenken wir stets jenen Menschen, denen wir unsere Verachtung zeigen wollen.
"Mit dem Tod und seinem Sinn im System der Sittlichkeit ist es so bestellt: daß wir Lebendigen nicht die rechten Philosophen sind, über den Tod nachzudenken - das Leben kommt uns immer wieder dazwischen. Und dennoch, da er ja doch gar sehr unsre Angelegenheit ist, lieben wir ihn als ein äußerstes Problem, fast als wäre er das eigentliche Rätsel des Lebens. Wir können ihn nicht ringsum wie andre Gegenstände, sondern immer nur von einer Seite betrachten, darum bleibt er etwas Grenzenhaftes, ein Schleier, ein Schemen. Und dennoch wissen wir, er ist auch noch Leben: letztes Erlebnis der befreundeten Glieder, letzter Zug aus dem Becher des Seins, letzte Tat oder letztes Schicksal. Wir können ihn frei erwählen, frei erleiden, frei mit ihm spielen. Und doch ist keine andre Macht so Herr über uns wie er, und alles Lebendige auf Erden ist ein Totentanz nach seiner grausamen Pfeife."
HANS FREYER
"Wir sollten uns einmal gleich damit abfinden, daß wir irgendwann einmal 'sinnlos' sterben werden, das heißt, durchaus bei unfertigen Sachen, und ohne bewältigende Resultate und Lösungen in der Hand zu haben: anders stürben wir garnicht. Der Tod desavouiert unsern Kram."
HEIMITO von DODERER
"Aus dem Tod eine schwarze Sache zu machen - das ist eine Idee der Bestattungsunternehmer."
LÉON BLOY
Wer einer sich euphemistisch 'Kirche' nennenden Köperschaft des öffentlichen Rechts den Zwangszins verweigert, wird konsequent und unnachgiebig aus dem Taufregister gestrichen, während jene, die mit der Lehre und Liturgie der wahren Kirche offen Schindluder treiben, und so die Entrichtung dieses Zwangszinses in die Nähe des sündigen Einverständnisses rücken, mit bischöflicher Barmherzigkeit rechnen dürfen.
Die unerträgliche Übergriffigkeit gegen die zeitlos schönen Formen der katholischen Liturgie, die im Namen der 'neuen Formen der Verkündigung' erfolgen, lassen die Vermutung aufkommen, deren progressive Urheber hätten nicht Theologie studiert, sondern statt dessen Kreativitätskurse an der Volkshochschule Zotenburg besucht.
Dass die Mehrzahl der Menschen immer wieder aufs Neue überrascht scheint, wenn wieder einmal die allgegenwärtige linke Korruption hochkocht, zeigt, welche Seite die bessere Marketingabteilung besitzt.
“Die einzigen Gesellschaften, die noch widerwärtiger sind als jene, die den rebellischen jungen Menschen in Wut versetzen, sind jene, bei deren Errichtung er in aller Unschuld mithilft."
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA
Dass Deutschland ein reiches Land sei, ist das volkswirtschaftliche Credo jener, die alles tun, um diesen Umstand abzuändern.
'Undemokratisch' ist heute die Sammelbezeichung für alles, was der Machtfülle linker Funktionäre und Parteigänger noch entgegensteht.
Wer anstrebt, die Gläubigen innerhalb der Katholischen Kirche in Wähler zu verwandeln, der will sich nützliche Idioten schaffen.
Wo die massenmediale Demokratie siegreich voranschreitet, da folgen ihr die telegenen, zugleich schmierigen und charakterlich blassen Gestalten auf dem Fuß. Beobachten kann man diesen Vorgang gerade in der katholischen Kirche in Deutschland.
Die moralische Empörung bleibt dem progressiven Linken als Bastion sicher, auch wenn ihm jene Phrasen, die er als Argumente missversteht, auszugehen drohen.
Die Armen haben jene unausschöpfbare Würde, die ihnen einst Jesus Christus als Stand zugewiesen hatte, gegen den zugleich fürsorglichen und kalten Sozialstaat und das mit einträglicher Werbung durchsetzte Unterschichtenfernsehen eingetauscht.
"Wir gehören mehr Gott als uns selbst; so sind wir auch mehr in ihm als in uns. Unser ist nur der Weg hin zu dem ewigen Bild, das er von uns in sich trägt. Dieser Weg ist wie ein Teppich von ihm her zu uns aufgerollt, ein Schriftband, prodiens ex ore Altissimi, und wir sollten, wie Kinder, die schreiben lernen, die vor-geschriebenen Schriftzüge nachmalen. Die Vor-schrift, das Gesetz, ist das, was die Liebe voraus-schreibt, voraus-setzt und uns zuschiebt, damit wir es - werden."
HANS URS von BALTHASAR
"Zur Definition der Mode gehört, daß sie nächstes Jahr wechselt. Das wahrhaft Christliche war zum Glück nie Mode, auch in den sogenannt christlichen Zeiten nicht."
HANS URS von BALTHASAR
Heiligen Ernst mag man vortäuschen können, doch simulierte heilige Heiterkeit ist immer leicht durchschaubar.
Das überkommene und somit unverfügbare Heilige in uns läßt uns auch dieses Heilige bei den anderen respektieren, ungeachtet aller inhaltlichen, keineswegs von der Wahrheitsfrage dispensierenden Differenz. Es läßt uns auch erkennen, das diejenigen, die heute den Koran verbrennen, morgen - bei entsprechender Opportunitätslage - mit der Bibel ebenso verfahren werden.
Man muss sich den riesigen massenmedialen, halb staatlichen, halb privaten Komplex des 'Infotainments' wohl als ein einziges System der Prostitution veranschaulichen, in welchem es neben den unzähligen billigen und willigen Groschenstrichern und den stets gut verdienenden Zuhältern auch die männlichen und weiblichen Edelhuren gibt, die mit ihrem Nimbus des 'anspruchsvoll-kritischen' locken. Die jeweils herrschenden ideologischen Strömungen sind die geistigen Geschlechtskrankheiten, die diesen Komplex in Wellen durchlaufen und die, neben einer stets gegebenen prozentualen Mortalität, immer auch einige überlebende chronisch Kranke zurücklassen, deren syphilitische Narben sie als wie auch immer ausgerichtete 'Urgesteine' auszeichnen. Der Vergleich hinkt allerdings insoweit, als dieses System, anders als der eigentliche Straßenstrich, sich ökonomisch nicht selber trägt, sondern dauerhaft auf die mehr oder weniger offene staatliche Subvention angewiesen bleibt, die freilich, angesichts des enormen politischen Nutzens dieses Systems, gerne gewährt wird.
Die allerorten zu hörende Ermahnung, doch 'bewußt zu leben', liefe bei entsprechender Beherzigung auf eine lang andauernde Nahtoderfahrung hinaus.
"Demut ist keine Tugend, sondern die Einsicht, daß uns jegliche Tugend fehlt."
HANS URS von BALTHASAR
Die Existenz des 'Vorwärts' und der 'Prawda' stehen für das Vertrauen ihrer Herausgeber in den fundamentalen Lehrsatz ihres Meisters, laut dem das Sein das Bewußtsein bestimmt.
Die als bloße 'Formalismen' abgetanen Regularien der Demokratie sind in Wahrheit der einzige Schutzzaun gegen den dieser Gesellschaftsform inhärenten Totalitarismus. Man muss jene Kräfte fürchten, die diese Formalismen im Namen eines zeitgebotenen Pragmatismus oder durch lautstarke Akklamation beiseite schieben wollen.
Diejenigen, denen ob der schwindenden gesellschaftlichen Relevanz der Kirche bange ist, übersehen geflissentlich die Irrelevanz nicht nur eben dieser Gesellschaft, sondern auch die ihrer eigenen Person, welche sich in diesem Bangen offenbart.
Die freie Zeit unserer Priester war sicherlich sinnvoller genutzt, als diese noch mit Leidenschaft neue Obstsorten züchteten oder Vererbungsregeln erforschten, statt, wie heute üblich, in der Soziologie zu dilettieren.
Der Name 'Wort-Gottes-Feier' ist sicherlich ironisch gemeint, kommen in ihnen doch heute Hinz und Kunz zu Wort, aber nicht Gott.
"Con-solatio. Wie ein Blinder die Sonne spürt, ohne sie zu schauen, so die Seele Gott."
HANS URS von BALTHASAR
Je weniger greifbar die moderne Linke sich gibt, desto unangreifbarer dünkt sie sich.
Wer sich die Bedeutung des Begriffes 'Dekadenz' veranschaulichen will, der vergleiche die lebendige Glaubenstiefe afrikanischer oder indischer Priester mit jenen alten weißen Männern unter ihren Standesbrüdern, die sich hilflos mit den progressiven Phrasen ihrer vergeudeten akademischen Jugendzeit anzubiedern suchen.
Wahrlich, wir leben in schmierigen Zeiten.
Das Adjektiv 'zeitgemäß' ist zu allen Zeiten das Argument jener, die keine Argumente haben.
Das Entscheidende an der stets unabgeschlossenen gerechten Umverteilung des Reichtums ist der Anteil, der in den Taschen der Umverteiler hängen bleibt.
Wer innerhalb der Mauern einer Kirche mit ungedämpfter Stimme die drängenden Anliegen des bürgerlichen Heldenlebens bespricht, der bezeugt einen Glauben, welcher als Fortsetzung der Banalität mit anderen Mitteln begriffen werden kann.
"Bedeutung ist immer reicher als Deutung."
HANS URS von BALTHASAR
"Das Christliche ist unter anderem darum so schwer, weil die Natur das Bewußtsein abblendet und zum Automatismus neigt (der Wahrheitskern im Pragmatismus), während es von der Gnade her wie Schuld erscheint, auch nur einen Augenblick nicht wach zu sein für das ohne Unterlaß und immer neu zu uns redende Wort. Wachsein als eine Grundforderung der Parabeln des Herrn, und zwar stete Bereitschaft für das Unerwartete, Uneingelernte."
HANS URS von BALTHASAR
Und den Höhepunkt seiner Bühnenkarriere erklomm er, als er am Stadttheater Zotenburg für die Titelrolle in Becketts 'Warten auf Godot' besetzt wurde.
'Kopf hoch!', sagte der Scharfrichter.
Augenfällig ist, dass es trotz des allerorten zu konstatierenden Fachkräftemangels keine Probleme macht, die vielen Parlamente, Parteigremien und Presseredaktionen zu füllen.
Mit den Worten "Ich finde" beginnen Menschen ihre Argumente, die sich, sich in scheinbar tugendhafter Bescheidenheit übend, von dem tradierten Zwang unserer Kultur befreit haben, mit den eigenen Gedanken Objektivität und damit rationale Vermittelbarkeit zumindest anzustreben, und die so bequem und überheblich im progressiven Strom des geistigen Terrors der Empfindungen und Gesinnungen mitzuschwimmen vermögen. Man muss bei diesen Worten auch unwillkürlich immer an den Satz Adornos denken, laut dem die meisten Menschen lügen, wenn sie "Ich" sagen.
The Waste Land: Große Schwarzweißphotographie zeichnet aus, dass sie durch den Duktus der dokumentarischen Distanz zum dargestellten Objekt hindurch das Schöne im Häßlichen, und somit die Spuren und Lichtblicke Gottes in der Ödnis einer gefallenen Welt aufzuzeigen vermag. Auch wird nur die Schwarzweißphotographie im eigentlichen Sinne dem Anspruch gerecht, mit Licht zu zeichnen, während doch die Farbphotographie notgedrungen immer etwas von zweitrangiger Malerei an sich hat.
Menschen, die viel sprechen, tun dies häufig, um vielversprechend zu erscheinen.
"Der Atheismus ist ein Salz der Religion. Er ist die absolut-gesetzte negative Theologie. Zumeist ist er, psychologisch gesehen, die Enttäuschung an der Enge und Endlichkeit eines Gottesbegriffs, die Ungeduld ins Anonyme."
HANS URS von BALTHASAR
Die Zeiten ändern sich: Heute sind die Spießer tätowiert und die Zuhälter haben einen Steuerberater.
Wenn deutsche Bischöfe öffentlich bekunden, dass sie die Umsetzung der Forderungen des sogenannten "Synodalen Wegs" für unbedingt geboten erachten, gleichzeitig aber klarstellen, dass sie sich für diese Umsetzung "nicht hängen" lassen wollen, so muss man dies als offenes und rückhaltloses Bekenntnis zum Opportunismus würdigen.
Die ‘weltoffene’ und 'woke' Gesellschaft zwingt uns in einem Maße die Beschäftigung mit den sexuellen Perversionen anderer auf, dass wir gezwungen sind, unsere eigenen Perversionen stiefmütterlich zu vernachläßigen.
Nur wer voll und ganz hinter uns steht, vermag es, uns in den Rücken zu fallen.
Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die allesamt jenseit der Sechzig zu verortenden Akteure des sogenannten 'Synodalen Weges' die angestrebte neue Sexualmoral zu praktizieren gedenken. Wahrscheinlich wird uns dies aber bald durch Werbespots der synodal erneuerten Kirche für blaue Pillen oder gewisse Salben deutlichst veranschaulicht werden.
Die Phrase verhält sich zur Philosophie wie Precht zu Plato.
Die Probleme, die nach einer politischen Lösung verlangen, nehmen mit der Zahl der Politiker exponentiell zu.
"An den Parabeln des Herrn läßt sich das Problem der ästhetischen Form in höchster Reinheit betrachten: Symbolwerdung eines unendlichen Gehalts in einer endlichen Form, wobei diese dem 'inspirierten' Hörer immer neue Perspektiven bis ins Unendliche eröffnet, ohne dabei aus ihrer Endlichkeit herauszutreten, sich in Geist zu verflüchtigen."
HANS URS von BALTHASAR
Angestellte: Die Fischer, Netzemacher und Zöllner, die Jesus Christus um sich versammelte, waren einfache Menschen. Die Gestalten, die sich heute zu einer "Synodalen Kirche" zusammenschließen, sind hingegen einfach nur gewöhnlich.
Wie neuere historische Forschungen ergaben, wurde der Zusammenbruch der DDR allein durch Eberhard Krautsupp ausgelöst, der im Sommer 1988 als Beauftragter für Marxismus-Leninismus in der einzigen DDR-Produktionsstätte für Büroklammern fungierte, und der mit seiner klassenkämpferischen Idee, die Büroklammern ab sofort nur noch in Form von Sowjetsternen herzustellen, die Produktion dieses für jede Form von Bürokratie entscheidenden Werkzeugs schlagartig zum Erliegen brachte. Nach nicht einmal drei Monaten sah sich die Staatssicherheit gezwungen, ihre Arbeit weitestgehend einzustellen, was der Bürgerbewegung in der DDR wiederum den nötigen Freiraum verschaffte, um ihr Zersetzungswerk durchführen zu können.
Angehende Germanisten beginnen ihr Studium heute mit der Überzeugung, Goethes 'Faust' sei die Romanvorlage für die Rocky Balboa-Filme.
Die Triftigkeit unserer Antworten auf die Fragen der Zeit hängt auch von unseren Antworten auf die ewigen Fragen ab.
Wo alles einer grenzenlosen Demokratisierung unterworfen wird, da wird die Demokratie bald verschwunden sein. Jede Demokratie setzt unausgesprochen jene ihr vorgeordneten Areale voraus, in welchen sich die Menschen untereinander, aber auch mit sich selbst über ihre Interessen und Werte ungestört verständigen können. Dort sind auch jene überkommenen Bindungen verankert, die der manipulativen Verführbarkeit Grenzen setzen und so erst wahre und beständige Autonomie ermöglichen.
Der penetrante schwäbische Zungenschlag, welcher sich so lautstark auf dem sogen. "Synodalen Weg" kundtut, steht symptomatisch für den provinziellen und kleingeistigen Charakter der ganzen Angelegenheit.
Lob des Herkommens: Alle Kultur ist darauf ausgerichtet, aus der Vergangenheit heraus die Gegenwart zu meistern, um eine Zukunft zu erringen. Daher hebt die Kultur, wie Vico vermerkt, in jenem Moment an, in welchem die Menschen beginnen, ihre Toten zu bestatten, um sie in den Rang eines Vermächtnisses zu erheben. Daher ist es das primäre Anliegen aller Kultur die menschliche Sexualität in ihrem zerstörerischen Potential einzuhegen und auf Fruchtbarkeit hin auszurichten. Daher ist das Verachten und Vergessen der Toten und der Kinder das gemeinsame Signum aller verfallenden Kulturen.
Vielen von uns wird es beschieden sein, bei lebendigem Leibe zu sterben.
Der moderne Mensch verwechselt sein mit allerhand Dingen ausgefülltes Leben mit einem erfüllten. Erfüllen kann sich nur das Wort, nicht aber die Versprechungen der Werbung.
Der schlechte Katholik mag sich damit trösten dürfen, wenigstens ein treuer Katholik zu sein. Der Protestant - und mit ihm der moderne Mensch insgesamt - muss hinnehmen, dass er niemals gut genug ist und das selbst seine Treue - zu welcher Idee auch immer - mit der Zeit verwerflich sein wird.
Betrachtet man die Wellen der sexuellen Revolutionen, die sich jetzt anschicken, durch die irdischen Heerscharen der Synodalen auch die Katholische Kirche in Deutschland zu überfluten, so fällt vor allem deren zutiefst lustfeindlicher Charakter ins Auge. Wo die Sexualität ins grelle Licht der Straße gezerrt wird, um dann mit euphorischen Grimassen pflichtbewußt und möglichst in kollektiver, gesundheitsförderlicher Gymnastik “ausgelebt” zu werden, da verliert sie jenen Widerschein des Heiligen, welchen ihr der Begriff der Sünde verliehen hatte und damit auch allen geistigen Zauber. Für die von aller Sünde befreiten Revolutionäre aber gilt als Maxime der Satz Adornos: "Immer davon reden, nie daran denken!"
Am Ende werden wir alle zu Kreuze kriechen. Wir unterscheiden uns hier nur in der Strecke, die wir dann zurücklegen müssen.
"Ein Kult der Jugend ist immer ein Anzeichen der Vergreisung einer Kultur. So wahr es ist, daß jedes Lebensalter seinen besonderen, nicht zu verzwecklichenden Sinn besitzt, ebenso wahr ist es auch, daß Jugend auf Reife und Bildung angelegt ist. Den Zustand des Jungseins als in sich ruhenden Selbstwert, gar als höchsten Wert zu preisen, zeugt von einer zerrütteten Werthierarchie. Einen übrigen Beweis liefern die infantil gebliebenen Männer, die aus den Jugendbewegungen hervorzugehen pflegen. Kindsein und -bleiben vor Gott ist etwas völlig anderes und fordert menschliche Reife."
HANS URS von BALTHASAR
Der typische Politiker unserer Zeit ist - parteiübergreifend - berufslos oder hat zumindest vergessen, welches Fach er eigentlich studiert hat. Und sofern er überhaupt studiert hat, wurden die entsprechenden akademischen Titel pragmatisch durch großzügige Übernahme fremder Formulierungen oder gar die zeitsparende Delegierung der Abfassungsarbeiten an diskrete Dienstleister kosteneffizient erworben. Damit werden unsere Eliten einer Zeit gerecht, die allerorten nach Flexibilität ruft, weshalb in ihr übertrieben vertieftes Fachwissen eher hinderlich wäre. Viel entscheidender sind heute jene 'soft skills', also etwa die Fähigkeit, die jeweils in Situation und Amt geforderte Expertise rasch durch entsprechend nuanciertes, durch professionelle Schminkkunst unterstrichenes Mienenspiel repräsentieren zu können, und natürlich auch der schlichte massenmediale Unterhaltungswert der eigenen Persönlichkeit, welchen man beispielsweise durch Offenlegen der jeweiligen sexuellen Präferenzen ungemein steigern kann. In einer Welt, die sich eigentlich resigniert eingestehen müsste, dass sie ihre grundlegenden Probleme nicht lösen kann, bildete sich dieser Typus von Politikern folgerichtig durch evolutionäre Auslese und den mal mehr, mal weniger aufrechten Gang durch die Parteigremien heraus, um der Bevölkerung die gewünschte Ablenkung zu bescheren, die nun durch gekonntes Zeigen von Haltungen oder auch das kunstvolle Setzen von Zeichen auf der steuerfinanzierten großen Bühne geboten wird. Somit können wir uns immerhin trösten, dass unsere Lage zwar hoffnungslos, aber nicht ernst ist.
Wo öffentliche Gelder zur Verteilung anstehen, da herrscht ein Leben, wie über einem Kuhfladen in der Sommerhitze.
Der traditionelle Glaube schenkt seinem Träger Demut und die Hoffnung auf Erlösung. Der neue synodale Glaube schenkt seinen armseligen Funktionären den Anschein von Bedeutung und Macht.
Als spätes Erbe der elften Feuerbachthese wird unsere Alltagssprache zunehmend von sozialingenieurhaften, vorgeblich emanzipatorischen Phrasen verpestet, durch die uns der jeweilige Sprecher etwa wissen läßt, dass er 'ein Bewußtsein schaffen' möchte oder dass 'erstarrte gesellschaftliche Strukturen aufzubrechen' seien. Prinzipiell kann uns nur die Wahrheit frei machen und nur eine Gesellschaftswissenschaft, die sich der Wahrheit und deren Ausdruck verpflichtet weiß, dient unserer Freiheit, nicht aber die willfährigen geistigen Handlanger dieses oder jenes geschichtlich-gesellschaftlichen 'Subjekts der Menschheitsemanzipation', welchem im historischen Auftrag dienliche Stichworte zu liefern sind.
Noch die weltlichen Werke des Barock strahlen das aus, was der doxologische Anhang des Vater Unser als 'Herrlichkeit' bezeichnet.
"Woran erkennt man, daß Gott die Sünde hasst? Daran, daß Christus die Sünder liebt; sie sind die Ärmsten, Schutzbedürftigsten."
HANS URS von BALTHASAR
Die politische Korruption auf konservativer Seite bemühte sich noch, ein gewisses Maß an Diskretion zu wahren, wenn auch nur aus einem vagen Gefühl für Stil heraus, welches die letzte noch konturierte Verfallsform der Moral darstellt. Die linke Korruption hingegen tritt unverschämter auf und weist Anwürfe mit einer Haltung zurück, die man in diesen Kreisen beim Gegner als Bigotterie benennen würde.
Humes Neuauflage der antiken Skepsis ist eine der Wurzeln des sogenannt postmodernen Denkens, doch unterscheidet sich hier das Denken des Lehrers von dem seiner Schüler insofern, als Hume in intellektueller Redlichkeit und in der Zurückweisung der Hybris des cartesischen Konstruktivismus, die gleichsam schmarotzerhafte praktische Abhängigkeit des von Wahrheit und Verbindlichkeit befreiten neuen Denkens von den überkommenen Ordnungen und Gewalten, welche das alte Denken mit erschaffen und mit ausgestaltet hat, eingesteht, denen das neue Denken in seiner praktischen Impotenz nichts wesentliches hinzuzufügen hat. Für Hume war es selbstverständlich, dass der Philosoph die Welt zwar durchschaut, aber dennoch vernünftigerweise nach ihren Regeln und Geboten lebt und sich, wenn gefordert, auch vor ihnen verneigt. Die eigentlich postmodernen Denker hingegen sind biedermeierliche Brandstifter im Geiste, Denker ohne Netz und doppeltem Boden, aber mit Pensionsberechtigung und Wochenendhäuschen.
Nur das Volk der Dichter und Denker kann auf die Idee kommen, ein Kinderbuchautor tauge als Wirtschaftsminister.
Neben seinen Gedanken zur Religion ist Horkheimers Theorie der Rackets der derzeit aktuellste Teil seiner Philosophie. Wollte schon Schopenhauer mit den Privatangelegenheiten der Staaten nicht belästigt werden, so sehen wir heute allerorten die Staaten und Regierungen dieser Welt als vereinnamte Beute von Verbrecherbanden. Selbst in Berlin sind ganze Straßenzüge oder auch Ministerien fest in der Hand von arabischen oder schleswig-holsteinschen Clans.
Sofern wir dem Teufel eine Einliegerwohnung in unserer Seele einräumen, scheint er die Mansarde zu bevorzugen.
Leben meint im praktischen Sinne die Welt zu handhaben, weshalb folgerichtig die Spuren des Alterns zuerst an unseren Händen sichtbar werden. Zuvor aber, und zwar oft schon in früher Jugend, altert jedoch unser Geist, was sich in der Verwendung von naheliegenden und daher billigen Phrasen und nicht zuletzt in der Angliederung unseres Urteils an sogenannte Bewegungen äußert, deren Wendungen wir dann bereitwillig mitvollziehen.
Treue ist in modernen Zeiten nicht unbedingt unsere Ehre, wie man in manchen Kreisen meinte. Wohl aber kann sie der wehmütige Ausdruck einer Solidarität mit jenen Individuen oder auch Ideen sein, von denen wir wissen, dass sie früher oder später mit uns verschwinden werden, obgleich sie es verdient hätten, uns alle auf ewig zu überdauern.
Früher war es das Anliegen der Populärkultur - zumal des Fernsehens -, dem Betrachter eine kurzweilige Weltflucht zu ermöglichen. Das heutige Fernsehen hingegen ist so realitätssüchtig, dass man wohl bald eine Kamera bei Hempels unterm Sofa installieren wird. Die Zuschauer solcher Erzeugnisse scheinen derart verschmolzen zu sein mit einer verschandelten und verhunzten Welt, dass deren noch banaleren bloßen Reproduktion und Simulation in ihrem Seelenhaushalt der sakrale und affirmative Nimbus eines Kunstwerks zukommt. Sie sind im radikalen Sinne hoffnungslos und befreit von jeder Sehnsucht, wie sie sich einst wenigstens noch im Kitsch verdinglichte.
Das moderne Individuum geht zu weit, in der trügerischen Hoffnung, bei sich selber anzukommen.
Man merkte es ihm an, dass er als Kind in den Brunnen gefallen war.
"Vielleicht ist ein unmächtiges und gequältes Leben, das voll Güte war, nicht verloren, vielleicht hat es einen ewigen Morgen. Wir können es nicht wissen."
MAX HORKHEIMER
"Je simpler die offizielle Ideologie, um so komplizierter heute ihre Ableitung. Diese Einsicht besagt, daß das Denken aus der Mode kommt."
MAX HORKHEIMER
Die psychologisierende Literaturdeutung ist die bevorzugte Methode des analytisch ambitionierten Voyeurs.
Egbert Krautfuss ließ sich im fortgeschrittenen Alter von 43 endlich taufen, da er genug davon hatte, im Büro immer eine Heidenarbeit aufgehalst zu bekommen.
In den Kulturwissenschaften ist ein Autor dann zum Klassiker avanciert, wenn er vorwiegend von Leuten zitiert wird, die ihn nicht gelesen haben.
Einem klassischen Bühenstück, wie auch der Katholischen Liturgie kann nichts schlimmeres widerfahren, als in die Hände von kreativen Menschen zu geraten.
Niemand mag Menschen, die intelligenter sind, als man selber. Zumindest nicht, solange sie am Leben sind.
Mammutaufgaben bleiben heute wohl vor allem deswegen unerledigt liegen, weil die Mammuts schon vor Jahrtausenden ausgestorben sind.
"Die Menschen sind stumm, soviel sie auch reden mögen. Heute ist die Rede schal, und die, welche nicht zuhören wollen, haben gar nicht so unrecht."
MAX HORKHEIMER
Derjenige, der als erster eine Phrase an Stelle eines eigenen Gedankens äußerte, war der Begründer des Feuilletons.
Trotz der postulierten Unantastbarkeit der menschlichen Würde hat man noch nicht vernommen, dass jemals würdeloses Verhalten gerichtlich geahndet wurde.
Mit dem sogenannten "Synodalen Weg" schreitet nun die Verspießerung des Christentums, die einst mit Luther einsetzte, weiter voran.
Das Theologiestudium scheint sich in den letzten Jahrzehnten einem Sonnenstudio angeglichen zu haben: Der regelmäßige Besuch färbt vorübergehend die Hautoberfläche, ohne jedoch in tiefere Bereiche einzudringen. Dauerhaft bleibt nur das eine oder andere pseudointellektuelle Karzinom, welches dann irgendwann Metastasen ausbildet.
Kluge Menschen erkennt man daran, dass sie auf dem Boden der Tatsachen ankommen, bevor man sich anschickt, sie unter demselben zu begraben.
Man sagt, dass der Ton innerhalb der Kirche mit dem sogenannten 'Synodalen Weg' rauher geworden sei. Treffender wäre es wohl zu sagen, dass er zickiger geworden ist.
Klarstellungen: Wer sich politisch korrekt gibt, ist deswegen nicht frei von Sünde. Wer auf parteitagsähnlichen Versammlungen und Aufmärschen die diversen Fahnen des Zeitgeistes schwenkt, hat nicht sein Kreuz auf sich genommen. Und was nützte es uns, die Welt und das Klima zu retten, wenn wir darüber unsere Seelen verlören.
Was der Bauer nicht kennt, frißt er nicht. Was der Progressive nicht kennt und versteht, das himmelt er an.
Jacke wie Hose: Sichtet man die aktivistische Erbauungsliteratur, die sich im Vorfeld, beziehungsweise in Begleitung des sogenannten "Synodalen Weges" angehäuft hat, so fällt vor allem deren daueraufgeregte Langweiligkeit und ihre ambitionierte Untiefe auf. Man fragt sich, wen man mehr bedauern soll: die Autoren, die Jahre ihres Lebens an Universitäten verschwendet haben, um nun solche dürren Früchte hervorzubringen, oder ein Lesepublikum, welches die intellektuellen Ansprüche an sich selber derart heruntergefahren hat, dass es solche Machwerke ernst nimmt.
Die "kulturelle Hegemonie", welche die Linke gemäß dem Ratschlag Gramscis so erfolgreich angestrebt hat, hat den gleichen Stellenwert, wie die vielzitierten "Soft Skills" im Berufsleben: Sie garantieren ihren Inhabern, dass andere die Arbeit machen müssen.
Wenn der Elefant erst einmal in den Porzellanladen eingedrungen ist, macht es keinen Sinn mehr bei seiner Abwehr das Zerschlagen von Porzellan zu vermeiden.
Irgendwo schreibt Horkheimer, Bordelle und Pissoirs seien Asyle der Humanität in der Kälte der bürgerlichen Gesellschaft. Folglich muss es eine Zeit gegeben haben, in der die Kritische Theorie noch nicht den Ehrgeiz entwickelt hatte, politisch korrekt zu sein.
Batterie der Toten: Mit den Kriegen der Vergangenheit ging immer auch das Bemühen einher, den unvermeidbaren Tod zu ästhetisieren. Die Kriege der Moderne hingegen strahlen die Ästhetik eines effizient arbeitenden Schlachthauses aus.
"Der Fortschritt - Kaum hat man sich die Telefonnummern eingeprägt, werden sie umgestellt."
MAX HORKHEIMER
"Radikal sein heißt heute konservativ sein."
MAX HORKHEIMER
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PROSAISCHE POESIE
von
FERDINAND FRIEDLOS
"An manchen Orten heißt der Abtritt 'Gelegenheit'. Daher vielleicht der Titel Gelegenheits Gedichte."
JEAN PAUL
orientalische sinnlichkeit
es sprach der schah von teheran,
als man ihm trug den tee heran:
ach eh ich es vergesse:
ich hätt gern ne mätresse!
zur not täts aber auch ne hetäre,
wenn sie nur blond genug wäre.
oder irgendeine konkubine:
hauptsache eine blondine!
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afrikanisches nachtlied
über mogadischu ist ruh`.
in allen hütten riechest du
kaum einen rauch.
die schimpansen schnarchen im walde.
warte nur, balde
schnarchest du auch.
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viertel des lebens
im andenken an die abiturfeier des leistungskurses deutsch
des alexander-von-humbug-gymnasiums in zotenburg
am örtlichen baggersee
mit blonden dirnen hänget
und voll mit bier aus dosen
der bernd in den see.
ihr holden schicksen,
und trunken vom wodka
tunkt ihr das bleiche haupt
ins eisig-nüchterne wasser.
weh mir, wo nehm ich, wenn
es morgen wird, die kleider, und wo
den horst beinstein,
und den rest der freundesherde.
die flaschen stehn
sprachlos und leer, selbst rosalinde
hat eine fahne.
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physikalisches
es heißt in einsteins diele
stand das erste perpetuum mobile.
dies wird auch von heisenberg bezeugt,
der das gerät einst neidisch beäugt.
doch ist es dann im nachlass verschwunden,
was die physiker haben bis heut` nicht verwunden.
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hommage an dada
die zeiten zahnen, doch:
es steint der tropfen hohl
und mit ihm stumpft der stiel.
es schopft das pack den pudelkern.
den zar aber zerren zornige zeisige,
während der pfahl den zäunen winkt.
die athener tragen eulen und
die roten verlieren ihre fäden.
den raben fressen die reiter
im verschwiegenen graben,
während die waage noch züngelt.
der pfeifer locht den letzten,
der aber holt seinen löffel
und am ende fassen die eigenen
die verdrehte nase.
oh weia, oh je:
zum hohn klatscht der mohn!
schwarz ist die nacht
bei lichte besehen.
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beschildertes weltenende
dies ist das ende
vom abschüssigen gelände.
danach beginnt der freie fall,
ins unbegrenzte weltenall.
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homo homini lupus
ich würd` ihnen gern den hals umdrehn.
sie werden dieses anliegen sicherlich verstehen?
ihr vorhaben - das ist angebracht,
und auch überzeugend vorgebracht.
doch lassen sie mich noch fragen:
darf ich ihnen zuvor den kopf abnagen?
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anachronismus
belauscht während einer after-work-party der kulturredaktion der >zeit<
einst stand der philosoph hegel
am berliner flughafen tegel.
ich glaube wohl sie spinnen!
das kann doch nicht stimmen!
wie hätt er denn über die berliner mauer kommen wollen,
ohne den ethischen impetus des kantianischen sollens.
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tool making animal
es sprach der greise marquis de sade:
geh, was ist mir heut wieder fad!
hätt ich noch meine alte rute,
die lange, oft bewährte, gute.
hart und fest und doch biegsam,
dabei in der pflege genügsam.
dann könnt ich die magd versohlen
und so ein wenig glück mir holen.
aber das biest hat die rute versteckt.
ach das sie an ihrer tugend verreckt!
ich ging ja in den garten zu den weiden,
mir eine neue, schöne rute zu schneiden.
aber ich greis schaff die treppe nicht mehr.
dank der libertinage altert man eben sehr.
so werd ich halt bloß ein buch drüber schreiben
und im reiche meiner phantasie verbleiben.
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sinnfreies
sie werden es nicht glauben!
ich wollt sie heut nacht berauben.
bei mir ist doch nichts zu holen,
außer einem paar ausgestopfter dohlen.
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kontrastmittel
die schönheit deiner glieder,
die ist mir sehr zuwider.
ich hätt lieber ne potthäßliche frau,
neben der ich dann gut ausschau.
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existenzialismus
inmitten einer tiefdruckrinne
ward er seiner existenz nun inne.
durchnässt vom regen bis auf die knochen
hat er wie ein nasser hund gerochen.
den dumpfen mief, das triefende haar
nahm er als grenzsituation war.
nun steht er einsam und allein,
halt ein wirklich armes schwein.
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ikarus
so eine fliege wirkt recht abgehoben,
kommt sie durch die lüfte angeflogen.
doch trifft sie auf die windschutzscheibe,
so tut sie einem doch auch leide.
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ontologie
der punkt ist
ich aber bin
das wird es sein
sokrates war sterblich
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idylle
einst diente die alte linde des winters als krähenbaum.
vor lauter krähen, da sah man sie kaum.
doch wurde vom bauern gift ausgestreuet
und so die linde von krähen befreiet.
jetzt blüht die linde sommers überm krähengrab
und dient so dem wandersmann als seelenlab.
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arglosigkeit
jan-torben war voller moralischer entrüstung,
als man ihn warf über die balkonbrüstung.
dabei hatte er nur nach der herrentoilette gefragt,
auf dem genderisten-jahreskongress ganz unverzagt.
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klageruf des alten libertin
wohin nur ist entfleucht meine jugend?
sie ging wohl flöten mit meiner tugend.
jetzt spielt die lust die erste geige,
bis zur allerletzten bitteren neige.
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zotenburger grabinschriften
die andrea hier, die war ein böses mädl,
drum wurd gespalten ihr der schädel.
drauf ward sie schleunigst tief vergraben
und dann versoffen ihr bankguthaben.
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zotenburger grabinschriften ii
der karl hier war ein schmutzger bube,
nun liegt er sauber in der grube.
es schweigt sein hämisch-böses lachen
beredt jetzt unter dem boden der tatsachen.
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in der fußgängerzone
einst sammelte ich edle uhren
und liebte teure edelhuren.
jetzt bin ich finanziell am ende
und bitte nun um eine kleine spende.
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diskriminierung
es heißt das hungrige raben
verschmähen selbst keinen toten schwaben.
wie anders wir menschen uns da betragen,
die auch keinen lebenden ertragen.
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das prinzip hoffnung
es stehen die marxisten
herum auf grünen skipisten.
auf schnee und sozialismus warten sie vergeblich.
nächstes jahr kommt beides angeblich.
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ostpreußisches symposion
es kommen kant und klopse aus königsberg -
ein geistiger riese und ein kulinarischer zwerg.
der riese sucht die grenzen der vernunft zu erhellen,
der zwerg hingegen zu vereinen kapern und sardellen.
wir wünschen beiden viel glück bei ihrem bemühen,
während wir uns den nötigen verdauungstee aufbrühen.
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stadtverderben
am rhein im schönen städtchen bingen,
da erfreuten sich die bürger gern beim singen.
dies ward vom stadtherrn als unangenehm empfunden,
wie mittelalterliche akten es bekunden.
drum hat der herr seine stadt niedergebrannt
und wurd so als erster musikkritiker bekannt.
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zotenburger grabinschriften iii
sie hängten hannes schon in jungen jahren.
so konnt er sich so manche ausgabe sparen.
schuldig, aber schuldenfrei wurd er ins grab gelegt,
von seinen reichen erben, welche tief bewegt.
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zotenburger grabinschriften iv
der hans hier wollt werden drachentöter.
gereicht hats nur zum schwerenöter.
so mancher frau hat er ruchlos das herz gebrochen.
die letzte hat ihm das seine mit ner scher durchstochen.
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sinnfreies ii
morgen in der früh werd ich sie erschießen.
ich hoff, das wird ihnen die stimmung nicht vermiesen.
aber nein - in keinster weise,
da ich noch heute abend verreise.
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zotenburger grabinschriften v
der wilhelm hier, der war ein protestant.
geendet aber ist er als arrestant.
es zählte für ihn allein und einzig der glaube.
drum seht hinweg über seine morde und den bankraube.
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die leiden des werten herrn goethe
geheimrat goethe war ein armer tropf,
der stets nur hatte verse in seinem kopf.
selbst beim warten an der käsetheke
suchte er nach einem reim auf faustens grete.
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entdeckerfreuden
man muss oft hören von dummen toren,
die sich werktags in den ohren bohren.
doch hat man bisher nicht vernommen,
dass einer bis zum hirn ist durchgekommen.
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letze worte auf dem schafott
haben sie noch etwas zu sagen,
bevor es ihnen geht an den kragen?
nun, die unterbringung, die war ziemlich schlecht.
und die matratze, die war mir nicht recht.
das frühstück war hundsmiserabel
und für den koch eher blamabel.
kurz: ich kann es ihnen nicht verhehlen,
ihre einrichtung werd ich nicht weiterempfehlen.
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selbstgespräch
noch viele schöne grüße
an meine lieben füße.
seit jahren ward ihr nicht gesehn,
dank kilogramm zweihundertzehn.
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zotenburger grabinschriftenen vi
beim duschen war der horst hier ausgeglitten
und hat danach an genickbruch gelitten.
zu viel reinlichkeit ist ungesund,
tat abschließend der leichenbeschauer kund.
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memento mori
es klebt ne tote amsel auf der straße.
welch motiv für eine meissner vase.
ein schwarzer klecks auf grauem grund:
so gedenke deiner letzten stund.
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zotenburger grabinschriften vii
hier ruht der wortgewandte paul.
die erde stopft ihm nun das maul.
für sein leben gern drosch er phrasen,
jetzt liegt er wortkarg unterm rasen.
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zotenburger grabinschriften viii
hier liegt der lange uwe
in einer viel zu kurzen grube.
man musst ihn in der mitte falten.
dafür durft er den hut aufbehalten
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zotenburger grabinschriften ix
der thorsten hier gehörte zu den ornithologen
und es wurden daher, wahrhaft ungelogen,
zwei ausgesprochen schwarze raben
mit dem thorsten tief vergraben.
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zotenburger grabinschriften x
der walther hier der lebte auf großem fuße.
jetzt leistet er hierfür reuige buße.
aus dem grabe lugen heraus seine schuhe.
die passten wohl nicht in die sargtruhe.
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zotenburger grabinschriften xi
hier liegen vom alten, blassen jochen
seine müden und bleichen knochen.
seine witwe hört man jubilieren,
denn es sind ja nicht die ihren.
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zotenburger grabinschriften xii
der ernst hier war in seiner jugend
ein wahrer ausbund an tugend.
mit dem alter aber hat er nachgelassen.
dies muster findet sich bei allen rassen.
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zotenburger grabinschriften xiii
es trügt hier nicht der schein:
hier ruht des peters gebein.
irgendwo musste man es verstauen.
man wollt es nicht haben in litauen.
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zotenburger grabinschriften xiv
der heinz liegt hier zur letzten ruhe
in einer massiven holztruhe.
die musst man mit uhu zukleben:
so sehr hing der heinz am leben.
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zotenburger grabinschriften xv
der ernst hier hatte ein heiteres wesen
und verbrachte sein leben fröhlich vorm tresen.
dann aber hat er ausgezecht
was er fand ziemlich ungerecht.
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zotenburger grabinschriften xvi
hier ruht mein werter gatte,
der wenig freude an mir hatte.
das leben durft ich ihm mit aller macht vermiesen.
dafür muss ich nun die begonien auf dem grabe gießen.
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zotenburger grabinschriften xvii
der leif hier war ein psychopath
und erstickte am radieschen im salat.
jetzt muss er hohe temperaturen aushalten,
wie sie nunmal in der hölle walten.
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zotenburger grabinschriften xviii
hier ruht die nette, liebe inge
die verstarb unverrichteter dinge.
ihren mann wollt aus dem eigenheim sie ekeln.
der darf sich nun allein im doppelbette räkeln.
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zotenburger grabinschriften xix
hier ruht der rote johannes,
das ideal eines parteimannes.
er war aller menschen bruder.
am ende erschlug ihn irgendein luder.
----
zotenburger grabinschriften xx
hier liegt der junge arno
der so sehr liebte den porno.
drum war er auch ganz ausgezehrt
als man ihn hier mit erd beschwert.
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zotenburger grabinschriften xxi
der knut hier war ein wackrer däne
doch hatte er am ende eine pechsträhne.
erst fiel er durch die falltür mit missgeschick
daraufhin brach ihm die schlinge das genick.
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zotenburger grabinschriften xxii
die andrea hier, die war ein böses luder.
dies wird bezeugt von ihrem bruder.
doch auch andre haben dies bekundet,
womit unser bild von ihr ist abgerundet.
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zotenburger grabinschriften xxiii
hier ruht der hungrige matthias
er galt als gewaltiger vielfraß
stets hatte er angst zu kurz zu kommen
drum hat er in der breite hinzugewonnen
----
zotenburger grabinschriften xxiv
hier ruht vom fischer seine fru
in einer simplen hölzernen truh.
so manchen wunsch hatte sie frei.
nun ist ihr alles einerlei.
----
zotenburger grabinschriften xxv
hier ruht der sparsame ingomar
der verstarb zufällig in seinem todesjahr.
lange hatte er die bestattungspreise verglichen
und ist dann kostengünstig verblichen.
----
zotenburger grabinschriften xxvi
hier ruht der gute murat.
er verstarb beim verzehr seines salat.
der war aus maiglöckchen angerichtet.
dies oder das majodressing hat ihn vernichtet.
----
zotenburger grabinschriften xxvii
hier liegt der unglückselige lars.
er musste niesen und das wars.
ein jäger hat ihn irrtümlich erschossen
und seine lenden als hirschragout genossen.
----
zotenburger grabinschriften xxviii
hier ruht nun friedlich die chantal
die immer gut war für einen skandal.
sie brach so manches tabu
und war pastorin noch dazu.
----
zotenburger grabinschriften xxix
hier ruht der umtriebige ignatz.
der machte zeitlebens viel umsatz.
die ganze welt hat er beschissen.
seine erben werden ihn vermissen.
----
zotenburger grabinschriften xxx
hier ruht die eitle katrine
gekürzt durch die guillotine.
sie dachte, dass diese maschine
der pflege ihrer frisur diene.
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zotenburger grabinschriften xxxi
hier ruht die garstige greta
sie war überall persona non grata.
ihren lieben hat sie das leben vergällt.
wir wünschen ihr ein herzliches vergelt.
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zotenburger grabinschriften xxxii
hier liegt die nette melanie
sie war in der küche ein wahres genie.
stets hat nach knoblauch sie gerochen.
drum hat ihr gatte sie erstochen.
----
zotenburger grabinschriften xxxiii
hier ruht die schusslige trude
man fand sie tot in ihrer bude.
leider hatte sie verwechselt das aspirin
mit dem für den gatten bestimmten strychnin.
----
zotenburger grabinschriften xxxiv
hier ruht die kalte elfriede
sie galt allgemein als frigide.
ihr gatte lies läuten die glocken.
dazwischen hörte man ihn frohlocken.
----
zotenburger grabinschriften xxxv
hier ruht die wilde margareth
die untergrub stets jede autorität.
die autoritäten kehrten sie unter den teppich.
ihre letzte mahlzeit war ein rettich.
----
zotenburger grabinschriften xxxvi
hier liegt der nervöse michael
der war im leben recht heikel.
nun ruht er aber tief entspannt
unter zwei meter hohem sand.
----
zotenburger grabinschriften xxxvii
hier ruht müllers lieschen
tief unter den radieschen.
der hannes hat ihr das herz gebrochen
als sie ihn ertappte mit dem jochen.
----
zotenburger grabinschriften xxxviii
hier ruht die arme irene
die hatte häufig migräne.
ihr gatte durft sich mit elise vergnügen
die irene musst sich mit aspirin begnügen.
----
zotenburger grabinschriften xxxix
hier ruht der brave bauer huber.
man fand ihn ertrunken im zuber.
er hatte sämtliche äpfel des hofes vermostet
und dann das resultat alleine ausgekostet.
----
zotenburger grabinschriften xl
hier ruht der störrische gunther
er liegt hier platt wie eine flunder.
der dampfwalze wollt er den platz nicht einräumen.
nun darf er zweidimensional die ewigkeit verträumen.
----
zotenburger grabinschriften xli
hier liegt die charismatische konstanze
die ging im leben immer aufs ganze.
manchmal ging sie aber auch nur aufs klo
und war auch dort ihres lebens froh.
----
zotenburger grabinschriften xlii
hier ruht die rastlose monica.
zu lebzeiten, da war sie niemals da.
stets zog sie fröhlich um die ecken
doch am ende musste auch sie verrecken.
----
zotenburger grabinschriften xliii
hier liegt die dämliche ninive
man fischte sie tot aus dem baggersee.
bei gewitter sollte man nicht schwimmen gehen.
das hat sie am ende dann auch eingesehen.
----
zotenburger grabinschriften xliv
hier ruht die schusselige susanne
sie verstarb in ihrer badewanne.
sie hatte verwechselt wein und shampoo.
ihre haare rochen stark nach bordeaux.
----
zotenburger grabinschriften xlv
hier ruht der brave pfarrer wenzel
der fiel schlafend von der kanzel.
seine predigten, die waren streng synodal
und daher folgerichtig inhaltlich banal.
----
zotenburger grabinschriften xlvi
hier liegt der arme willibald
dank seines mäkligen weibs wurd er nicht alt.
sie hat ihn in den tod getrieben
ihr ist die lebensversicherung verblieben.
----
zotenburger grabinschriften xlvii
hier liegt der alte waldemar
er lebte weit über 100 jahr.
mit dem sterben hatte ers nicht eilig.
am ende war ihm aber doch langweilig.
----
zotenburger grabinschriften xlviii
hier ruht der fröhliche karl
er war stets ein heiterer kerl.
man hat ihn in der früh erschossen.
er guckte danach sehr verdrossen.
----
zotenburger grabinschriften xlix
hier ruht der exaltierte heinz
er wurde geboren in mainz.
das leben hat ihn dann geerdet
und mit ner grabplatte beschweret.
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zotenburger grabinschriften l
hier ruht die giftmischerin gerda
geboren im idyllischen liebenwerda.
der henker hat ihr das wort abgeschnitten.
auch die position ihres kopfes hat gelitten.
----
zotenburger grabinschriften li
hier liegt der brave neander
er war verwaltungsbeamter.
nun hat er getauscht die amtsstube
mit dieser nicht minder ruhigen grube.
----
zotenburger grabinschriften lii
hier ruht der brandwein franz
der saufkumpan vom alten hans.
der muss nun allein die zeche zahlen.
deren höhe bereitet ihm höllenqualen.
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zotenburger grabinschriften liii
der josef hier war ein friseur
das lebensende fiel ihm schwer.
denn nun muss er es entbehren
widerborstge bärte glatt zu scheren
----
erzählung vom pferd
so finster die stunde,
so bitter die kunde:
verdüstert ist das gemüt,
kommt der pferdemetzger ins gestüt.
doch gleitet auf dem pferdeapfel aus der blutge henker,
dankt es die wiehernde pferdeschar dem weltenlenker.
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zotenburger grabinschriften liv
hier liegt der schwerenöter florian
ihm brannte im leben nie was an.
doch hatte er so seine probleme
das letzte von ihnen hieß helene.
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zotenburger grabinschriften lv
hier ruht der strenge lord dartmore
er war ein mann ohne jeglichen humor.
man hielt ihn für wenig umgänglich
zum glück war auch er vergänglich.
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zotenburger grabinschriften lvi
hier liegt der böse pavel
man fischte ihn aus der havel.
er hatte viel dreck am stecken
mit dem konnte man ihn hier bedecken.
----
zotenburger grabinschriften lvii
hier ruht der spleenige sir alexander
betrauert von seiner gattin wanda.
er hatte so seine marotten.
jetzt schläft er unter den karotten.
----
zotenburger grabinschriften lviii
hier ruht die wackre kunigunde
gen mittag schlug ihre letzte stunde.
drum durft sie länger pause machen
man hört noch immer ihr freudenlachen.
----
zotenburger grabinschriften lix
hier ruht die leiche des guidos
man begrub ihn jedoch kopflos.
der henker hat sein haupt einbehalten
bis er den rechnungsbetrag hat erhalten.
----
zotenburger grabinschriften lx
hier ruht die liebe brave ute
sie glaubte stets an das gute.
ihr mörder hat sie am spieß gebraten
die kruste, hieß es, war gut geraten.
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zotenburger grabinschriften lxi
hier liegt die feiste renate
sie war prall wie eine tomate.
nun düngt sie mir ihrer üppigen leiche
eine schöne alte friedhofseiche.
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zotenburger grabinschriften lxii
hier ruht die unglückliche edeltraut
ihr gatte hat ihr das leben verbaut.
er hat sie hier lebendig eingemauert.
sie hatte die ehe stets bedauert.
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zotenburger grabinschriften lxiii
hier liegt der arme konstantin.
man schoß auf ihn,
man hing ihn auf.
am ende ging er dabei drauf.
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zotenburger grabinschriften lxiv
hier ruht der orientierungslose björn
er verstarb auf einer segeltörn.
segeln wollte er nach bali
man fand seine leiche in mali.
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zotenburger grabinschriften lxv
hier liegt der rote eberhard
er war der parteikassenwart.
außerdem war er auch ein marxist
und liegt hier, weil er verstorben ist.
----
scheidung auf österreichisch
strychnin, strychnin,
das kauft man günstig in wien.
dazu ein paar gramm cadmium:
schon fällt der lästge gatte um.
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zotenburger grabinschriften lxvi
hier ruht nun friedlich, es sei gedankt,
mein weib, welches oft mit mir hat gezankt.
lauf lieber rasch fort von hier
sonst fängt sie an und zankt mit dir.
----
zotenburger grabinschriften lxvii
hier ruht der trinkfeste peter
seine frau folgte ihm wenig später.
sie haben sich beide tot gesoffen
und sich dann hier auf ein bier getroffen.
----
zotenburger grabinschriften lxviii
hier ruht der einsame jäkel
der fand hier schließlich seinen festen deckel.
die grabplatte, mit der man ihn belegt
hat sich seitdem nicht mehr bewegt.
----
heiligenlegende
was ich gar nicht akzeptiere,
so sprach der hl. franziskus zum hühnertiere,
das sind hühnerfedern in meinem haferbreie
oder gar vogelkot in meiner weizenkleie.
drum endete das huhn als sonntagsbraten.
das sind wahrhaft heilige taten.
----
zotenburger grabinschriften lxix
hier liegt der wohlhabende walter
er verstarb im passenden alter.
älter durfte er nicht werden
sagen zumindest seine erben.
----
zotenburger grabinschriften lxx
hier ruht der vorsichtige leander
zeitlebens war er versicherungsbeamter
stets hat das risiko er minimiert
das restrisiko hat ihn dann eliminiert
----
zotenburger grabinschriften lxxi
hier liegt der unbeständige cohn
sein leben war ein einziger hohn
es gab darin keine konstanten
nun trauern um ihn cohns tanten
----
zotenburger grabinschriften lxxii
hier ruht die modische esther
gewandet in grünem polyesther
viel lieber wäre ihr seide gewesen
nun muss sie im kunststoff verwesen
----
zotenburger grabinschriften lxxiii
hier ruht der feiste hendrik
der war wirklich sehr dick.
man musst dieses doppelgrab mit ihm belegen
vom pfarrer gabs aber nur den einfachen segen.
----
zotenburger grabinschriften lxxiv
hier ruht der aufgeweckte gunther
der war bis zuletzt recht munter.
er hat den galgenhumor erfunden
wie es die gerichtsakten bekunden
----
zotenburger grabinschriften lxxv
hier liegt die tröge gudrun
die hatte das gemüt eines supphuhn
doch traf sie den schönen franz
dann wurde sie zur eitlen gans.
----
zotenburger grabinschriften lxxvi
der wilhelm hier war ein großer philosoph
und ruht nun im gedanken auf dem kirchhof.
das leben erschien ihm wenig plausibel
der tod hingegen war für ihn infallibel.
----
zotenburger grabinschriften lxxvii
hier liegt die schauspielerin sue
für sie ging auch der vorhang zu.
sie rezitierte oft faustens grete
erstickt ist sie an einer fischgräte.
----
zotenburger grabinschriften lxxviii
hier ruht der hypochonder bruno
verblichen ist er im letzten juno.
er hatte zuviel aspirin eingenommen
und war daher zum aspiranten verkommen.
----
zotenburger grabinschriften lxxix
hier ruht die unglückselige adelheid
sie war zum sterben noch nicht bereit
sie wollt noch den krimi zu ende schauen
und sich ergötzen an tod und grauen
----
zotenburger grabinschriften lxxx
hier ruht nun der dicke willibald
das cholesterin, das machte ihn kalt
von gebratenen hähnchen war er angetan
jetzt kräht nach ihm kein einziger hahn
----
zotenburger grabinschriften lxxxi
hier liegt der duldsame jürgen
nur der tod konnt ihm erlösung verbürgen
er litt an chronischen hämorrhoiden
seit seiner reise zu den hebriden
----
zotenburger grabinschriften lxxxii
hier ruht die drahtige valerie
welche noch steckt voller energie
sie war wohl völlig zugedröhnt
als sie sich beim duschen geföhnt
----
nestwärme
man lebt ganz gut in dinkelsbühl.
doch sind die abende recht kühl.
drum wird allabendlich ne hex verbrannt,
denn die menschliche wärme - die entspannt.
----
zotenburger grabinschriften lxxxiii
hier ruht die glückreiche chantal
begünstigt vom gewogenen schicksal
sie hatte die abfahrt der titanic verpasst
und wurde auf dem heimweg vom bus erfasst
----
zotenburger grabinschriften lxxxiv
hier ruht andrea die böse
sie war keine geistige größe.
auch charakterlich war sie als giftzwerg bekannt
drum wurd sie in diese kleine urne verbannt.
----
zotenburger grabinschriften lxxxv
hier ruht der haarige hans mayer
er verstarb im fernen himalaya
man hatte in ihm den yeti erkannt
und ihm eins auf den pelz gebrannt
----
kunstgeschichtliches
es sagte der piccasso zu dalí
beim gemeinsamen urlaub auf bali:
jetzt mach doch daraus einen akt,
und mal die schickse endlich nackt!
----
zotenburger grabinschriften lxxxvi
hier ruhen hinz und kunz
in gegenseitiger missgunst
nun müssen sie dies grab sich teilen
man hört sie dort unten zanken zuweilen
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zotenburger grabinschriften lxxxvii
hier liegt der bittere gerold
dem war das glück wenigt hold
er galt als überzeugter pessimist
sein letztes wort war: so ein mist
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zotenburger grabinschriften lxxxviii
hier ruht die liebe elke
die alte, graue, welke.
einstmals war sie blond gewesen
als luther anschlug seine thesen.
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endgültigkeit
ich werd den heiko morgen in der früh erschießen
um ihm den rest des tages gehörig zu vermiesen.
das leben werde ich ihm grausam rauben
dann wird er vor wut noch lange schnauben.
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NACHRUF AUF EINE DEUTSCHE GEISTESGRÖSSE
von
Ferdinand Friedlos
“Vor dem Tode ist kein Kraut gewachsen, auch der Lorber nicht.”
JEAN PAUL
Wie der Max Fischtruebber-Verlag in Zotenburg heute bekannt gab, ist der renommierte Philosoph Professor Dr. Leo Flappsiger gestern überraschend verstorben.
Der 1920 in Bad Salz-Schmockstein geborene Flappsiger hatte sich durch seine durch Heidegger betreute Dissertation zum Thema 'Nietzsches Leben als Seinsquelle seines Philosophierens' schon früh den Ruf eines großen Nietzsche-Kenners erworben. So konnte er in seiner frühen Studie nachweisen, dass Nietzsches letztes Werk, 'Der Wille zur Macht', nichts anderes darstellt als eine intellektuelle Rebellion gegen eine herrschsüchtige neapolitanische Waschfrau, mit der Nietzsche sich während seines Italienaufenthalts jahrelang über das korrekte Stärken seiner Hemdkragen herumstreiten musste. Nachdem Nietzsche der letzte seiner Kragen geplatzt war, setzte er sich hin und schrieb das berühmte Werk. Auch hatte Flappsiger nach mühevoller Archivarbeit endlich das Rätsel lösen können, wo Nietzsche sich die Syphilis geholt hatte, die ihm schließlich zum Verhängnis wurde. Flappsiger konnte als Überträgerin der Krankheit die Klavierlehrerin von Nietzsches Nichte Edeltraud identifizieren, die der stets etwas klamme Philosoph gezwungenermaßen in Naturalien bezahlen musste. Die Begegnung mit dieser in Bayreuth für ihr staubtrockenes Largo bekannten und als spröde und verkniffen verschrieenen Musikpädagogin soll Nietzsche - laut Flappsiger - zur Niederschrift von ‘Jenseits von Gut und Böse’ inspiriert haben.
Später kreidete man Flappsiger allerdings an, dass er dem damaligen braunen Zeitgeist im Vorwort seiner Dissertation das Zugeständnis gemacht hatte, Nietzsche zu unterstellen, er hätte in der seinerzeit alle tief bewegenden Frage: ”Wollt Ihr Butter oder Kanonen?” für die Kanonen plädiert, hätte der große Philosoph noch die bombastischen Zeiten des Dritten Reiches erlebt. Flappsiger konnte allerdings geltend machen, dass er in persönlichen Gesprächen stets betont hatte, Nietzsche wäre seiner Einschätzung nach weder der Typ für die Butter noch der Typ für die Kanonen gewesen, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach der Typ für den Schinken, also für eine dritte, damals gar nicht diskutierte Option. Mit dieser auch von unabhängiger Seite bezeugten Aussage konnte Flappsiger nach 1945 wieder viel an Boden gut machen, war er doch sogar im Gespräch für den hochdotierten Posten eines Sprechers des Verbandes deutscher Schinkenproduzenten.
Mit seinem Doktorvater Heidegger verband Flappsiger in dieser wohl für ihn glücklichsten Zeit seines Lebens, ein herzliches, stets aber von schülerhafter Ehrfurcht geprägtes Verhältnis. So erzählt man sich noch heute in Freiburg die anrührende Anekdote, wonach Heidegger und Flappsiger eines Nachmittags durch Freiburg philosophierend spazierten bzw. spazierend philosophierten, als sie beide einem hungernden Bettler begegneten. Heidegger, dem seine Biographen noch heute seinen ausgeprägten Geiz zum Vorwurf machen, murmelte nur: “Bin ich Jesus? ”, woraufhin sein Schüler antwortete: ”Wer sonst, wenn nicht Sie!”
Die Kriegswirren führten Flappsiger über verschlungene Wege an eine ostdeutsche Universität, wo es ihm 1949 gelang sich bei dem damals sehr bekannten SED-linientreuen Professor Kasimier Kaltschnäuzer zu habilitieren. Seine Arbeit über 'Die Praxis der sozialistischen Geschichtsphilosophie' zog freilich nach ihrer Veröffentlichung einen empfindlichen Eklat in der ostdeutschen Intellektuellenlandschaft nach sich, hatte Flappsiger doch eindeutig anhand der Schriften von Marx und Lenin nachgewiesen, dass der Kapitalismus auf der Ausbeutung des Menschen basiert, der humanistische Sozialismus hingegen auf der hingebungsvollen Praxis des Genickschusses. Flappsiger eckte im Besonderen bei seinen ostdeutschen Philosophenkollegen an, da er außerdem die These aufstellte, Marx habe stets für den unmittelbaren, direkt aufgesetzten Genickschuss plädiert und damit dem authentischen Geist des Sozialismus Gestalt gegeben, wohingegen der von Flappsiger als Abweichler gebrandmarkte Lenin stets einem Genickschuss aus größerer Distanz (in der Regel ca. 30 cm vom Nacken des selbstkritischen Delinquenten) das Wort geredet habe. Dies war freilich starker Tobak, und Flappsiger konnte der am eigenen Leib bzw. Genick drohenden Exemplifizierung seiner eben erst aus der Taufe gehobenen Theorie über den Genickschuss nur durch eine rasche Flucht in den Westen entgehen.
Im Westen angekommen, so lässt sich rückblickend feststellen, kam Leo Flappsiger nun endlich auch bei sich selber an. Nach kurzer Orientierungsphase trat Flappsiger mit den Worten, er sei immer schon ein erzliberales Urgestein gewesen, in die FDP ein und wäre über diese verdienstvolle Partei der Besserverdienenden auch beinahe für den Wahlkreis Buxtehude in den Bundestag eingezogen, hätten sich nicht vermutlich von der Stasi verstreute Gerüchte verbreitet, wonach Flappsigers stets übel gelaunter und herrschsüchtiger Rauhaardackel Adi Mitglied der NSDAP gewesen sei. Nachdem sich seine Pläne für eine politische Karriere zerschlagen hatten, nahm er doch wieder seine alte Universitätslaufbahn auf. Es fand sich an der Provinzuniversität Zotenburg ein vakanter Philosophielehrstuhl, den niemand sonst haben wollte, da zum einen die zum Lehrstuhl gehörende und an ihm wie eine Zecke haftende Sekretärin für ihre Launigkeit berüchtigt war und noch jeden Lehrstuhlinhaber binnen kurzem hinter sehr enge und einschüchternde Schranken verwiesen hatte. Zum anderen stand der zugeteilte Vorlesungssaal nur am Freitag Nachmittag um eins zur Verfügung, also zu einer nach einstimmiger Meinung der Professorenschaft wie der Studenten dieser sehr christlichen Universität höchst unchristlichen Zeit. Flappsiger schreckten solche Fährnisse freilich nicht ab, denn in den Techniken, die man benötigt, um in totalitären Systemen unter großen oder kleinen Diktatoren zu überleben, war er geübt und Freitag Nachmittag kam er, was seinen Arbeitseifer anging, üblicherweise erst so allmählich in Fahrt, ließ er doch die Arbeitswoche seit seiner Jugendzeit immer sehr langsam angehen. Nach Annahme seiner Berufung genoss er bei seiner überschaubaren Studentenschar bald den Ruf eines liebenswerten akademischen Sonderlings, der niemandem sonderlich weh tat - weder als Publizist noch als Prüfer. Noch Jahre nach seiner Emeritierung erzählte mach sich zum Beispiel gerne und oft Anekdoten, wie die, dass Flappsiger die Universitätstoilette stets mit den Worten betrat: ”Schauen wir mal, was dabei herauskommt.” Unvergessen blieb auch der Tag, an dem Flappsiger mit dem schmiedeeisernen Kopfteil seines Bettes pünktlich zur morgendlichen Vorlesung erschien, da eine zwar ambitionierte aber auch etwas schusselige Studentin die Schlüssel für die Handschellen verschlampt hatte. Durch diesen fesselnden Umstand fühlte sich der Professor doch etwas behindert, als er mit seiner gewohnt gestenreichen Ausdrucksweise den für diesen Tag anstehenden kategorischen Imperativ und die in diesem Konzept angedeutete mögliche Versöhnung von Freiheit und Notwendigkeit erläutern wollte. Geschätzt wurde außerdem allgemein, wie mühelos und mit leichtem Sinne der ursprünglich auch als Schauspieler ambitionierte Flappsiger, trotz seiner chronischen geistigen Inkontinenz, die wichtige Miene zu wahren wusste, zu der er berufsbedingt verpflichtet war.
Privat gelang es Flappsiger rasch, Zugang in erlesene westdeutsche Intellektuellenkreise zu bekommen. So pflegte er regelmäßig an Freitag Abenden in dem für seine norwegischen Spezialitäten bekannten Zotenburger Restaurant ”Zum lustigen Lemming” ein Treffen mit dem renommierten Lyriker Ernst Teslebens und dem Dichterfürsten Reiner Maria Blanckhohn abzuhalten, wo die drei, nachdem sie sich stets eine extra große Portion geschmorter Elchhoden und danach den obligatorischen Käseigel hatten servieren lassen, erlauchte philosophisch-literarische Gespräche führten, die in der Regel bis in die tiefe Nacht anhielten, um dann in das etwas anrüchige Intellektuellenszenelokal ”Zur platonischen Beziehung” verlegt zu werden, aus dessen im Keller gelegenen finsteren Eingang die drei, wie angebunden um ihren Tisch sitzend, schließlich das Morgengrauen wahrnahmen, darüber streitend, ob die von der Morgensonne in den Kellereingang hinuntergeworfenen Schatten der ersten frühen Passanten nun bloßen Schein oder reales Sein darstellten. Der Diskurs über diese Frage wurde traditionellerweise irgendwann ergebnislos abgebrochen, indem man auf das Angebot des Kellners - eines gewissen Georg (genannt: “Ganymed”) Tschierling - noch einen letzten Becher vom Bettstädter Buchsbaumschneider, dem an fränkischen Südhängen gereiften Lieblingstropfen des Flappsigers, zu leeren, einging, um dann auf müden Schenkeln sich gegenseitig stützend nach Hause zu torkeln. Die Erlebnisse in diesem Szenelokal und im Besonderen mit dem Kellner Tschierling inspirierten Flappsiger auch zu dem hegelkritischen Kapitel ‘Gast und Kellner’ in seinem Spätwerk, den ’Zeitgemäßen Betrachtungen’, in welchem er Hegel vorwarf, er sei in der von ihm entworfenen Dialektik von Herr und Knecht den Anfängen der industriellen Gesellschaft zu sehr verhaftet geblieben, ohne noch analytische Ansatzpunkte für die moderne Dienstleistungsgesellschaft bieten zu können, in welcher nun der Kellner als der paradigmatische Mensch erscheine, der zwar dem Ruf des Gastes zu folgen habe, der sich aber in seinem berufenen Tun zugleich als der Herr über die Zeit eben des ewig wartenden und somit bloß passiven, nur auf das Konsumieren ausgerichteten Gastes erfahre, wodurch die Zeitlichkeit im Akt des Bestellens durch den Gast zum Keim eines kellnernden Selbstbewußtseins, also des sich seiner selbst geschichtlich bewußten Kellners wird und zugleich die Zeit des Gastes durch den Kellner autonom konsumiert wird.
Gestern nun verschied Leo Flappsiger nach einem langen und erfüllten Leben am plötzlichen multiplen Organversagen, als es ihm an einer Imbissbude in der Zotenburger Fußgängerzone unterlief, gleichzeitig zu niesen, zu rülpsen und einen fahren zu lassen - eine durch die traditionell sehr schwere fränkische Kost beförderte Koinzidenz von körperlichen Ereignissen, durch die die subjekt-objekthafte Einheit von Körper und Geist, die Flappsiger darstellte, ihr immer schon labiles Gleichgewicht verlor, so dass sich diese beiden Entitäten mit dem Geräusch eines Knallbonbons für immer trennten. Flappsigers letzte bezeugte Worte lauteten: “Das Glück ist ein Tun”, was einige seiner intellektuellen Weggefährten als finales Bekenntnis zur aristotelischen Ethik deuteten. Andere Stimmen hingegen vermuten, er hätte an der Imbissbude lediglich erleichtert "Zum Glück ist es kein Huhn." gesagt.
Seine Witwe, Traudel Wiesengraß-Flappsiger wird seine Urne, die auf Wunsch des Philosophen nur mit der schlichten Gravur ”Leo inside” versehen wurde, nächsten Mittwoch der ewigen Ruhe übergeben.
Flappsigers langjähriger Freund Ernst Teslebens wird bei der Beerdigung eine eigens gedichtete Ode vortragen, die wir hier, als würdiges Ende dieses Nachrufes abdrucken wollen:
ODE AN EINEN FREUND
Es roch der olle Flappsiger,
Wie mancher grauer Achtziger.
Er war nun einmal inkontinent,
Doch hat er auch so manch Talent,
Sich anzupassen an der Zeiten Wende.
Nichtsdestotrotz fand er sein Ende.
Nun merke lieber Leser
Östlich oder westlich der Weser:
Ist dein Handeln auch noch so opportun,
Du krepierst ja doch wie ein geköpftes Huhn.
Publikationsverzeichnis von Leo Flappsiger
- Der venerische Geist. Nietzsches Leben als Seinsquelle seines Philosophierens (1943)
- Martin Heideggers ontologischer Dadaismus (1944)
- Die Praxis der sozialistischen Geschichtsphilosophie. Mit einem Exkurs zur Rolle des Genickschußes in der proletarischen Entdinglichung des Menschen (1949)
- Sein und Zeitgeist (1952)
- Das Gehöre der Häusigkeit. Ein Heideggerianer liest Max Weber (1953)
- Reise durch die Hegelei. Preußische Staatsräson und schwäbische Geschwätzigkeit in der Philosophie Hegels (1955)
- Mythos der Syphilis (1956)
- Nicht-Ich und Nichtigkeit. Zu Fichtes intransparenter Transzendentalphilosophie (1957)
- Über den Schmonzes in der Philosophie. Rede an die Gebildeten unter seinen Verächtern (1960)
- Phänomenologie des Schneuzens (1964)
- Metaphysik der Titten. Ein Essay über Freud und die Frauen (1965)
- Micky Maus und Mussolini. Faschistische Elemente in der amerikanischen Kulturindustrie (1969)
- Das Klo. Kritik der Politischen Ökonomie eines dringenden Bedürfnisses (1971)
- Die Pose des Denkers und andere philosophische Possen (1976)
- Der Sinn der Leber. Meditationen eines Trinkers (1978)
- Geschichte und Schicksal der Ironie (1979)
- Zur ästhetischen Theorie der Mettwurst (1980)
- Notdürftigkeit des Alltags und gekachelte Obszönität. Strukturalistische Hermeneutik am Beispiel einer Busbahnhofstoilettenwand (1985)
- Theorie des einträglichen Handelns (1987)
- Der philosophische Börsenkurs der Moderne (1988)
- Mythos Technik. Warum nur die Länge zählt (1990)
- Willi`s Welt in seiner Vorstellung. Eine Hinführung zur Philosophie für Kinder und Kindgebliebene (1991)
- Öffentlichkeit. Vom Nutzen und Nachteil der Philosophie für das Geschwätz (1992)
- Der umständliche Andere. Philosophische Anthropologie des hinderlichen Mitmenschen (1995)
- Die Philosophie im Bordell. Der Markt für käufliches Denken in den Werken Cubiculis und der schweizerischen Schule der Neosophisten (1997)
- Die Kunst der wichtigen Miene und ihre praktische Anwendung. Ratgeber für angehende Akademiker (1999)
- Was tun? Der Berater-Kapitalismus als höchstes und letztes Stadium des Kapitalismus (2003)
- Grass lesen. Über Zwiebelhäute und Zeitverschwendung (2005)
- Lob des Opportunismus. Eine neoliberale Ethik für unsere Zeit (2008)
- Flappsigers Bemerkungen. Zeitgemäße Betrachtungen (2010)
- Das Schicksal der menschlichen Hand im Zeitalter der Maus. Versuch einer Anthropologie des digitalen Zeitalters (2010)
- Also sprach Dieter Bohlen. Kommunikative Tiefendimensionen der Moderne (2012)
- Einer kroch aus dem Kuckucksnest. Eine philosophische Autobiographie (2013)
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Leben und Meinungen von Lutz Hoppeler
von
Ferdinand Friedlos
“In der Welt und auf dem Teater macht nicht nur immer der beste Akteur den König.”
JEAN PAUL
Kapitel 1: Geburt und Jugend - frühe Prägungen
Der Welt widerfuhr es in einem kleinen, zwischen Ödnis und Idylle schwebenden Örtchen namens Niddergang, dass ihr eines der größten Managementgenies aller Zeiten geboren wurde. Doch war an jenem gewitterverhangenen Abend niemandem in der Welt - und somit auch niemandem in Niddergang - die schicksalshafte Bedeutung dieses Augenblicks bewußt. Vielmehr bewegte die Geburt des kleinen Lutz seinen Vater, den Kleinbauern und Ziegenzüchter Hoppeler, zu einer längeren philosophischen Mahnrede über die Vorzüge von Kondomen, die er an die versammelte ländliche Gemeinde von Niddergang und im Besonderen an die anwesende Dorfjugend richtete. So verbarg denn der alte Hoppeler sein Bedauern über das In-das-Sein-Treten seines Sohnes kaum, fühlte er sich doch durch dieses Ereignis erneut von eben diesem Sein empfindlich getreten.
Lutz wuchs trotz dieser Betretenheit seines Vaters rasch heran, auch wenn das Wachstum seines Verstandes unter seinen blonden Locken seinem körperlichen, ziegenmilchgenährten Wachstum nicht so recht zu folgen vermochte. Doch nach einigen Jahren geschah es, dass er, nachdem er ja nun schon in das allgemeine Sein der Welt und des Dörfchens Niddergang eingetreten war, unweigerlich sein eigenes, ganz individuelles Sein, eben sein So-Sein betrat (Der Autor bittet bei dieser Gelegenheit die vielen “Seins” in diesem Text zu entschuldigen, aber er hat gestern Abend Fisch gegessen, der von seinem belesenen Fischhändler zuvor in einer herausgerissenen Seite von Heideggers “Sein und Zeit” eingewickelt worden war). Lutz Charakter, oder das, was in seiner geistigen Anatomie als Lückenbüsser für eben diesen Charakter fungieren sollte, wurde geboren, als der Knabe an einem drückend schwülen Sommernachmittag vom Ackerrand aus seinen schweißbedeckten Vater Korn dreschen sah. Im kleinen Lutz reifte spontan der Entschluss heran, niemals zu arbeiten, da der Geruch von Schweiß sein urplötzlich hoch ausgebildetes ästhetisches Empfinden verletzt: ”Ich schwöre, niemals werde ich - wie mein Vater - Korn dreschen, sondern nur mit ehrlicher Hingabe Phrasen! Davon dann freilich reichlich.”
Die Schule, in die er nach diesem Sommer, nachdem er ja schon das Sein der Welt und sein eigenes Dasein betreten hatte, eintreten musste, erlebte der kleine Lutz als einziges Trauma. Seine Lehrer - verständnislose, unflexible Bürokraten und “Vollpfosten” - scheiterten mit allen pädagogischen Versuchen, zwischen seinen Ohren intelligentes Leben zu entdecken, so als hätten sie gleichsam nach dem versunkenen Atlantis geforscht. Doch ein einziger Abend ändert alles: In einer Schulaufführung brilliert der kleine Lutz als blondgelocktes, schellenkappenbehütetes Kasperle und macht so dem ganzen Dorf endlich deutlich: Lutz ist etwas ganz Besonderes! Man weiß zwar noch nicht was genau, aber immerhin: ein Anfang ist gemacht.
Eine Biographie eines so großen Mannes wäre, hundert Jahre nach Sigmund Freud, nicht vollständig, wenn man nicht auch kurz seine Pubertät streifen würde. Hier ist jedoch nur zu sagen, dass Lutz glücklich von Kastrationsangst und Ödipuskomplex, so wie später auch von jeder Last der Arbeit und der Komplexität dieser Welt insgesamt, verschont blieb. Erste sexuelle Erfahrungen sammelt er im Ziegenstall seines Vaters. Besonders die Leitziege Amelia hat es ihm mit ihrer, selbst für Ziegen auffälligen Grenzdebilität und ihrem dominanten Wesen angetan. Nie wird er ihr flauschiges, blondes Angorafell vergessen und diesen unauslöschlichen Eindruck wird er später in jeder Begegnung mit einer Frau - pardon: mit einem weiblichen Wesen wieder zu erwecken suchen.
Kapitel 2: Der Beginn der Karriere
Lutz, der bisher lediglich dadurch zum Erwerb seiner Familie beitrug, in dem er in der Küche am Kachelofen herumlungerte und dort die Hofkatze wegekelte, die somit gezwungen war, in der Scheuer Mäuse zu fangen, wird nun doch angehalten, sich einen Beruf zu erwählen. Der charakterstarke Lutz pocht jedoch auf seinem kindlichen Schwur, niemals arbeiten zu wollen. In einem eingehenden Gespräch zwischen Männern klärt sein sensibler Vater, der den Jungen endlich los haben möchte, ihn jedoch darüber auf, dass es zu den Vorzügen einer freien Marktwirtschaft gehöre - Lutz Vater ist Mitglied der örtlichen FDP -, dass man in ihr nicht unbedingt wirklich arbeiten müsse, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. So zieht Lutz hoffnungsfroh in die Welt, mit dem Ziel in einem Tourismuszentrum am bekanntlich oft schneebedeckten Strand von Mexiko Skilehrer zu werden, landet dann aber als Hilfsverkäufer in einer Herrenboutique in Gütersloh. “Immer noch besser als Wuppertal,” denkt Lutz und fügt sich seinem Schicksal. Vorerst!
Kapitel 3: Folgenschwere Ereignisse
Die Herrenboutique in Gütersloh erweist sich schnell als zu engräumiges Umfeld für die weitfliegenden Pläne des jungen Lutz. Er weiß zwar stets besser, was die Kunden eigentlich wünschen als diese selber (“Ich stellen Ihnen nur Optionen vor Augen!”), doch die engstirnigen Provinzbürger sind, was ihre Kaufentscheidungen angeht, schlicht unbelehrbar. Die Lage eskaliert, als Lutz einem Mitglied des Stadtrats, welches sich für eine öffentliche Feierlichkeit neu einkleiden möchte, eine kleinkarierte Golfhose aufzuschwatzen versucht. Der Kunde lehnt die fragliche Hose barsch ab. Als aber Lutz ihn in eine der Umkleidekabinen drängt und dort anfängt, dem Kunden die Wäsche vom Leib zu reißen, um ihm doch die Golfhose überzuziehen, missversteht der Kunde das Anliegen des eifrigen Verkäufers und fürchtet um die bisher gewahrte Unversehrtheit seiner hinteren Einrichtungen, wo er zuvor höchstens bei der jährlichen Prostatauntersuchung Besuch empfangen hatte. Es kommt zu einer tumultartigen Szene, der Lutz sich schließlich durch eine übereilte Flucht entzieht. Die kleinkarierte Golfhose in den Händen, rennt er durch die Fußgängerzone der Stadt Gütersloh zum Bahnhof, wo er sich in den nächstbesten Zug rettet. Außer Atem sinkt er im ersten offenen Abteil auf die Sitze und versucht, seine Gedanken zu ordnen, ein Unternehmen, welches ihm nie große Mühe bereitet hat, denn gemeinhin war da nicht viel zu ordnen - mangels Masse. Erst jetzt bemerkt Lutz, dass ihm eine Person im Abteil gegenübersitzt, ein elegant gekleideter Herr mittleren Alters, der den heftig schnaufenden Lutz fragend anblickt. “Hätte beinahe den Zug verpasst,” erklärt Lutz mehr schlagartig als schlagfertig seinen Zustand und als die Augen des Gegenübers auf die Hose in Lutz` Händen sinken, ergänzt Lutz “Ich bin in der Textilbranche tätig.” Nun tut sich ein Lächeln in der Miene des bisher stummen Herrn auf: “Darf ich mich vorstellen! Nachseher, mein Name. Ich bin Geschäftsführer des Modekonzerns Bettina Barceld.” Es entspannt sich wie von selbst ein Gespräch zwischen den beiden Branchen- und Menschenkennern und als Lutz auf die Frage, ob er denn etwas von “Flächenbewirtschaftung” verstehe, antworten kann, seine Familie - das Bild des korndreschenden Vaters schießt Lutz durch den Kopf - habe ja nie etwas anderes gemacht, als “Flächenbewirtschaftung”, ja, sie habe dieselbe quasi erfunden, wird Lutz umgehend als Projektverantwortlicher für die Flächenbewirtschaftung eingestellt. Als beide Herren am Zielort aus dem Zug steigen, denkt Lutz nur mit einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen: “Ich finde schon noch heraus, was der Typ mit "Flächenbewirtschaftung" meint, und wenn es ein Vermögen kostet!”
So beginnt also das Heil des Lutz Hoppelers und das Unheil der Firma Bettina Barceld.
Kapitel 4: Die Firma
Zwei Wochen später: der erste Arbeitstag bei Bettina Barceld.
Lutz hatte sich zwar fest vorgenommen, in diesen zwei Wochen im Internet zu recherchieren, was man in der Textilbranche unter dem Begriff "Flächenbewirtschaftung" versteht, aber die Pornoseiten, auf die er unweigerlich immer wieder stieß, beanspruchten dann doch den größten Teil seiner Aufmerksamkeit und seines geistigen Potenzials. Mit anderen Worten: er hatte alle Hände voll zu tun, so dass seine Karriere jetzt und hier hinter den Anforderungen des Augenblicks zurückzustehen hatte. Immerhin hatte er auf der Webseite eines großen Frankfurter Bordells den dort angebotenen Persönlichkeitstest - Titel: "Was für ein Typ bist Du im Bett?" - absolviert, um zu erfahren, dass er auch im Bett dem Typus des erfolgreichen Managers entspricht. Der Grund: Er hatte die Frage, ob er die Arbeit beim Liebesakt lieber dem Partner überlasse, mit einem unbedingten "JA" beantwortet. Dieses Ergebnis erfüllte ihn mit großer Hoffnung.
So kommt Lutz reichlich unpräpariert in sein neues Betätigungsfeld. Als er jedoch mit seinem Vorgesetzten Nachseher die Runde macht und allen Kollegen vorgestellt wird, tritt zum ersten Mal eine für Lutz`s weiteren Lebensweg wertvolle Eigenschaft, nicht seines Geistes, sondern seiner Mimik zu Tage: Lutz hat von Geburt an und ohne dass er diese erst künstlich aufsetzen müsste, eine wichtige Miene! Schon als er zwischen den Schenkeln seiner Mutter hervorschlüpfte, hatte er diese Miene im Gesicht, so dass er damals auch die Hebamme derart einschüchterte, dass sie sich nicht traute, ihm den obligatorischen Klaps auf den Po zu verabreichen, nach welchem die Neugeborenen ja gemeinhin erst zu atmen beginnen. So kam es, dass seinem ersten Schritt in die Welt erst drei Minuten später der erste Atemzug folgte, weshalb der bereits blau angelaufene Lutz auch leichte Gehirnschädigungen davontrug. Diese führten später jedoch zu einer regelrechten Zementierung der für Lutz strategisch so bedeutsamen wichtigen Miene, da er durch diese organisch bedingte intellektuelle Minderbegabung schlicht nicht in der Lage war, zu erkennen, dass es außerhalb seiner Person noch andere wichtige Dinge und Menschen gibt.
Sei es, wie es will, die neuen Kollegen sind zunächst, wie weiland die Hebamme, eingeschüchtert, ja, zum Teil sogar beeindruckt und begehen somit den Fehler, den später noch so viele begehen sollten, nämlich den, den Mann mit den Goldlocken und der wichtigen Miene für ebenso wichtig wie die letztere zu nehmen, statt die unter den Goldlocken seit der historischen Schulaufführung verborgene Schellenkappe zu entdecken. Lutz meistert so auch das erste Projektmeeting zum Thema "Flächenbewirtschaftung." Er begreift immer noch nicht so genau, worum es da gehen soll, aber soviel bekommt er mit: Textilfetzen wandern von Bettina Barceld zu irgendwelchen Geschäften und dort werden diese dann von irgendwelchen Kunden gekauft, was - und das ist das entscheidende - letztlich dazu führt, dass er, Lutz, Geld bekommt. Lutz hat somit alles für ihn bedeutsame aufgeschnappt und vermeidet es wie immer, sein, wie wir ja erfahren durften, angeknackstes und daher nur bedingt belastbares Gehirn mit allzu vielen Details zu beschweren. Außer den (ziegen-) langen Beinen seiner zukünftigen Assistentin bleibt aus der ersten Sitzung nur hängen, dass der EDV-Leiter immerzu etwas von einem Typ namens "EDI" faselt, der für das Flächenbewirtschaftungsprojekt von immenser Bedeutung sei. Lutz beruhigt sich jedoch mit der stillen Vermutung, dass es sich bei "EDI" um irgendeinen Mitarbeiter der EDV-Abteilung handeln wird, also einen jener "Vollpfosten" (Originalton Lutz Hoppeler), denen man keine weitere Beachtung schenken muss.
Was dann folgt, soll auch uns nicht allzu sehr im Detail interessieren - die intensive Beschäftigung mit Lutz färbt eben ab, so weit sei der Leser dieser Zeilen gewarnt... Lutz geht in die Firmengeschichte von Bettina Barceld ein, als der Manager, mit den höchsten erreichten Werten aller Zeiten - nämlich in den Abweichungsanalysen! Er bringt es fertig, das für seine Abteilung vorgesehene Kostenbudget um 200% zu überschreiten, die geplanten Umsätze jedoch um 90% zu unterschreiten. Als dies in der Jahressitzung zur Sprache gebracht wird, verliert sich für einige Momente die nun schon legendäre wichtige Miene. An ihre Stelle treten vorübergehende heftige Augenbewegungen, wie man sie ganz ähnlich bei einem Reh im finsteren Wald beobachten kann, welches die Zweige unter dem Tritt des herannahenden Wolfes brechen hört. Lutz stammelt zu seiner Entschuldigung, dass er da wohl etwas durcheinander gebracht habe. Er hätte gedacht, die Zahlen in der Abweichungsanalyse müssten sich so verhalten, die Kollegen hätten ihm dies falsch erklärt und hätten lediglich von möglichen “Optionen” gesprochen und außerdem sei er ständig abgelenkt worden, weil er mit dem Automatikgetriebe in seinem Dienstwagen überfordert gewesen sei. Nähere Erläuterungen des anwesenden Controllers ergeben, dass die außerplanmäßige, durch Lutz veranlasste Anschaffung dieser Dienstlimousine alleine für 5% der Budgetüberschreitung verantwortlich ist. Schließlich ist Lutz auch für seinen Mentor Nachseher, der nunmehr eben das selbe hat, nicht mehr zu halten. Es erfolgt die umgehende Kündigung und Lutz steht fünf Minuten später mit einem Karton und seiner kleinkarierten Golfhose, die ihm seinerzeit die Türen zu Bettina Barceld geöffnet hatte, vor eben diesen Türen, die sich laut hinter ihm verschließen. Somit ist Lutz um einige Erfahrungen reicher, Bettina Barceld hingegen um 12 Millionen ärmer.
Kapitel 5: Weiter auf dem Weg
Das, was man bei anderen Menschen als „Seelenleben“ zu bezeichnen pflegt, war bei Lutz (der Leser wird es schon erahnt haben, aber dennoch sei es ihm vom allwissenden Erzähler erneut aufs Brot geschmiert, denn die Zeilen wollen gefüllt sein, will der Erzähler das seine, gemeint ist das Brot, sich verdienen) zwar nicht inexistent, hatte aber wohl die Konstitution eines massiven Sandsteins (Granitstein würde eine hier nicht vorhandene physikalische Schwere suggerieren), ohne jene Hohlräume, in denen bei uns normalen Menschen solche Untermieter wie etwa der Selbstzweifel oder die Selbstreflexion sich einzunisten verstehen.
Dennoch war es für einige Wochen um Lutz nicht so arglos bestellt wie sonst und auch die permanente Inanspruchnahme der Pornoseiten des bekanntlich schlüpfrig gewobenen Internets konnte hier nur Linderung, aber keine wirkliche (Selbst-)Hilfe bringen. Fast könnte man sagen, Lutz ging für eine kurze Weile in sich, ohne sich dort anzutreffen. Oder vielmehr: Lutz traf bei diesem Innengang nach wenigen Schritten auf eine festgefügte und dreifach von innen verriegelte Eichenholztür. Sich selber gegenüber suggerierte er, er hätte an dieser Tür ein Schild vorgefunden, laut welchem er gerade in Mexiko weile (oder war es wieder nur Gütersloh?), aber der Erzähler weiß es besser (dafür wird er ja bezahlt) und schildert die Sache so, dass Lutz die Tür zwar verschlossen vorgefunden hatte und dass er auch schon die zarten Fingerknöchelchen zum Anklopfen gebogen hatte, um Einlass in sein Selbst zu erlangen, dass er aber in diesem Moment hinter der Tür einen Singsang vernahm, in welchem er das „Tri tra tralala“ aus seiner Schulzeit und damit sich selber als kleines Kasperle wieder erkannte. Lutz Verstand war wohl nicht geschaffen, um seinem Besitzer Erkenntnisse über sich selbst und die Welt zu vermitteln, sondern wohl eher, um diesen Besitzer vor solchen Einsichten zu bewahren, so dass Lutz alarmiert den Innengang sofort abbrach und wieder in die Welt der Äußerlichkeiten, also in seine eigentliche Welt zurückkehrte.
Dort angekommen musste er sich in jenen notwendigen Erholungspausen zwischen den Besuchen der Pornoseiten, mit solch profanen Dingen wie seinem zukünftigen beruflichen Weg auseinandersetzen. Zunächst denkt er an eine Rückkehr nach Niddergang, wo mittlerweile die Stelle des Leiters der örtlichen Schweinezuchtanstalt vakant geworden war, wie er einem Brief seines besorgten Vaters entnehmen konnte. Aber Lutz erfährt aus dem Brief auch, dass der bisherige Inhaber dieses Postens, ein gewisser Herr Eberle, sich in seinem Beruf völlig verausgabt hatte und außerdem muss Lutz auch lesen, dass Amelia, die Leitziege, inzwischen das zeitliche gesegnet hat. Niddergang steht vor seinem inneren Auge (welches, der Leser hat es schon erkannt, stark kurzsichtig ist) jetzt nur noch als ein Ort voller Schweine und ohne Amelia will er an einem solchen Ort nicht leben. Doch, wie der Zufall und das Internet so spielt, taucht beim erneuten Besuch einer Pornoseite (dank der Cookies, welche Lutz niemals löscht, weil er nicht weiß, wie das geht, beziehungsweise, weil er überhaupt nicht weiß, was das ist) eine Anzeige des Lebensberaters Karl Katzsack, Autor des bekannten Buches „Dein Leben. Eine Gebrauchsanweisung“ auf, die Lutz sofort persönlich anspricht, weil er eben beim ersten Besuch der Pornoseite seinen Klarnamen eingegeben hatte und die Seite ihn daher wiedererkannte (er selber war, wie wir weiter oben gesehen hatten, beziehungsweise wie es uns der Erzähler ja langatmig erklärt hatte, nicht in der Lage, sich wiederzuerkennen). Lutz wählt sofort die Nummer von Katzsack und erfährt, dass dieser zwar ein vielbeschäftigter und viel gefragter Mann sei, dass aber zufällig ( sicherlich ein Rainer Zufall, mit dem sich Lutz seit seiner Schulzeit gut verstand, da er ihn einmal gegen seinen älteren Bruder, Kain Zufall, in Schutz genommen hatte) ein Termin kurzfristig frei geworden sei. Lutz sagt sofort zu und macht sich eilig und euphorisch auf den Weg in die Praxis des renommierten Lebensberaters.
Katzsack, ein Menschenkenner par excellence, erfasst die Situation, in der Lutz sich befindet, sofort mit absoluter Transparenz. Er klärt Lutz darüber auf, dass es sich um eine Schwebesituation handle, die deswegen so bedrohlich sei, da ein solches unbedarftes Leichtgewicht wie unser Lutz schon durch leichte Winde davon geweht werden könne. Nur der Kauf seines, Katzsacks, achthundert (in Zahlen: 800) Seiten dicken und acht Kilogramm (in Zahlen: 8 kg) schweren Bestsellers könne ihm, Lutz, wieder die notwendige Bodenhaftung verschaffen, gewissermaßen als schützender Ballast. Lutz kratzt die letzten Reste seiner Abfindung von Bettina Barceld, dem deutschen Arbeits- und Vertragsrecht dankend, zusammen und kauft das Buch, nicht ohne aber sich auch gleich eine kurze, auf das wesentliche beschränkte Zusammenfassung durch den Autor zu erbitten, denn, der Leser wird es wieder ahnen (der Erzähler würde den Leser ja gerne mit überraschenden Einsichten über Lutz dienen, aber das Subjekt, oder vielmehr: Objekt dieser Erzählung ist einfach zu platt, um hier Überraschendes zu ver- und anschließend zu entbergen): Lutz hat es nicht so mit den Büchern. Lutz wird daher nun von Katzsack in die Geheimnisse des Lebens eingeweiht:
Die Geheimnisse des Lebens nach Karl Katzsack
1.Die Welt gibt die Begriffe vor. Bete diese Begriffe wie ein Mantra nach, und die Welt wird dich anbeten.
2.Die Welt will betrogen sein, und solange du nichts anderes willst, als die Welt zu betrügen, will dich die Welt.
Lutz ist beeindruckt – nicht von der Klarheit und Einfachheit des Ausdrucks, von solchen eher technisch-fachlichen Aspekten der Intelligenz, oder zumindest der Rhetorik, versteht er nichts . Vielmehr spricht hier einer aus, was Lutz immer schon in sich trug, was er aber nur nicht deutlich erkennen – hier sind wir wieder bei Lutz‘ Problem mit dem inneren Auge – und daher auch nicht deutlich aussprechen konnte. Er ist durch diesen Geistesblitz, der den Sandstein seines Innenlebens gespalten hat, um so Fähigkeiten aufzuschließen, von deren Existenz Lutz selber bisher nicht wusste, wie erleuchtet: Lutz wird in sich selber verwandelt, in jenes Selbst, welches seinerzeit bequem am Ackerrand sitzend, dem Vater bei der Arbeit zusah.
Nun geht alles ganz schnell: Lutz führt eine Marktanalyse durch, indem er im Nachmittagsprogramm des Privatfernsehens, welches er seit seiner Kindheit nie verpasst, einer Sendung angespannt folgt, in der ein Unternehmensberater auftritt. Der feine, dunkle Business-Anzug des Mannes und seine beeindruckend designte Visitenkarte lassen in ihm den Entschluss reifen, es als Unternehmensberater zu versuchen. Ein Anruf bei Katzsack rundet die Sache ab, da der Lebensberater Lutz mit Verweis auf dessen umfassende praktische Wirtschaftserfahrung, die alle theoretischen Defizite auf diesem Gebiet mehr als wett mache, in seinem Entschluss bestärkt. Außerdem berichtet Katzsack, der Freund klarer Worte und voller Brieftaschen, beiläufig, dass sich in Deutschland ohnehin jeder Schmock „Unternehmensberater“ nennen dürfe und konsequenterweise seien daher auch neunzig Prozent aller Unternehmensberater Schmocks (Zur tieferen sozioökonomischen Einordnung des Phänomens >Berater / Consultant< in das Gesamtbild des Spätkapitalismus empfehlen wir eine eingehende Lektüre des Werkes “Was tun? Der Berater-Kapitalismus als höchstes und letztes Stadium des Kapitalismus”, geschrieben von dem bekannten Philosophen Professor Dr. Leo Flappsiger). „Da fällst Du“ – Katzsack duzt seinen Eleven inzwischen - „weiter gar nicht auf.“ Auch eine Marketingstrategie ist schnell gefunden. Katzsack macht geltend, dass auch der Business-Mann von heute sein Geschäft verrichten muss und vermittelt Lutz daher einen Kontakt zum Bundesverband Deutscher Toilettenfrauen e.V., der sich bereit erklärt, gegen einen kleinen Obolus in allen öffentlichen Toiletten Deutschlands die erst noch zu designende Visitenkarte Lutz` auszulegen. Vier Monate später ist die Karte entworfen und sogar auch schon gedruckt (Lutz schwankte lange zwischen genereller, gezierter Kleinschreibung oder der ausschließlichen Verwendung von Großbuchstaben, entscheidet sich dann endlich – „THINK BIG!“ hatte Katzsack gerufen – für letztere Lösung) und drei Tage später liegt sie in allen öffentlichen Toiletten gleich neben dem Teller mit den Cent-Münzen aus.
Ab diesem Moment steht das Telefon von Lutz nicht mehr still, wobei er sich freilich zunächst gezwungen sieht, ein Missverständnis mit den Gesprächspartnern aufzuklären. Da die Karte in Lutz Tätigkeitsbeschreibung auch die Worte „offen für alles“ enthält und da die Karte des Weiteren ausschließlich auf Herrentoiletten ausliegt, rufen nur einsame Männer an, die sich einen netten Abend und anschließend eine noch nettere Nacht machen wollen. Lutz lehnt dieses Ansinnen mit schwindender Entschlossenheit, die mit seinen schwindenden finanziellen Mitteln korrespondiert, ab, bis dann endlich der erste Kunde, der kein Freier ist, anruft. Ein Termin wird ausgemacht und zwei Tage später stehen sich Lutz und sein erster Kunde gegenüber.
Der Kunde, sein Name ist Dritter, schildert Lutz kurz seine Problemlage, wobei sich Lutz die Geschichte mit seiner nimmermehr weichenden wichtigen Miene anhört, die ihre Wirkung auf Dritter nicht verfehlt. Dritter hatte einen kleinen Textilhändler in Ebernsbrück aufgekauft, den er ursprünglich mit Gewinn wiederverkaufen wollte. Doch die Firma entpuppte sich mehr und mehr als eine nur notdürftig zusammengeschraubte Gelddruckmaschine, deren Zahnräder nach und nach ihre Zähne eingebüßt hatten und der außerdem allmählich die Druckertinte auszugehen drohte. Sie war von sich weihevoll und -männisch gebenden Ganoven gegründet und von nicht minder – oder eigentlich sollte man sagen: nicht stärker – begabten, nimmersatten und nimmervollen, sich schamlos bereichelnden Galgenstricken fortgeführt worden, kurz: Der Wagen war nur noch wenige hundert Meter von der Wand entfernt, an welchen er gefahren werden sollte. „Da wird Ihnen geholfen!“ versichert die wichtige Miene und übernimmt den ersten Auftrag, denn man firmiert ja immer noch als Kenner der Textilbranche, ist also vom Fache.
Lutz reist umgehend nach Ebernsbrück und sieht sich die Sache aus der Nähe an. Er sitzt viel in den verschiedenen Büros der Firma herum, hält die Mitarbeiter mit wichtigen Fragen und – wie überraschend: - wichtigen Mienen von der Arbeit ab und dreht Däumchen, dass einen vom Zusehen schwindelig wird. Nach acht teuren Wochen will Dritter Ergebnisse sehen, so dass Lutz nun eine Analyse oder irgend etwas, was danach aussieht, vorzeigen muss. Nach jedem Strohhalm greifend, blättert er in der Nacht vor der anberaumten Präsentation im Buche seines Mentors Katzsack und trifft auf dessen Ermahnung, die Begriffe, die in der Welt kursieren, aufzugreifen und auf die Welt zurückzuschleudern. Nun fällt es Lutz wie Schuppen von den Augen, was ihn nebenbei daran erinnert, dass das bewährte Anti-Schuppen-Shampoo zur Neige geht: Er erinnert sich an ein Gespräch mit dem IT-Chef der Firma, einem gewissen Sigismund Schnaub, der ihm die Firma als einen Hühnerhof beschrieb, über den dreimal täglich der Bauer läuft, woraufhin sich die Hühner aufgeregt in alle Ecken und Winkel des Hofes verstreuen. „Ich verstehe, was Sie meinen,“ hatte Lutz damals geantwortet, was nur zum Teil wahr war, da Lutz generell die Bedeutung von sprachlichen Bildern und Metaphern nicht verstand, war doch sein Verhältnis zur Sprache etwa das eines Papageis, der auf einer Stange sitzend, aufgeschnappte Worte nachplappert, weil er immerhin gelernt hat, dass er sich so Erdnüsse und Aufmerksamkeit erbetteln kann. Aber natürlich wusste der auf dem Lande aufgewachsene Lutz, wie ein Hühnerhof zu durchqueren ist, wie man die Hühner effizient und effektiv in Aufregung und wilde Bewegung versetzt, und insofern hatte Lutz den IT-Leiter tatsächlich verstanden. Da Schnaub in dem Gespräch, in die geistleeren Augen Lutz` blickend, erahnte, dass dieser ihn nur zur Hälfte verstanden hatte, erläuterte er seine Aussagen noch, indem er Lutz darauf hinwies, dass es in der Firma versäumt worden war, feste Strukturen zu schaffen, und dass außerdem nicht genügend definiert – er übersetzte für Lutz dieses Wort zur Sicherheit noch mit „festgelegt“ – werde, wie was zu tun ist.
Dieses damals, wie alles was Lutz tat, tut oder tun wird, nur beiläufig geführte und nun in die Erinnerung zurückgerufene Gespräch diente Lutz jetzt als Munitionsarsenal. Dritter wird in der Präsentation am nächsten Morgen in einem Wortschwall beinahe ertränkt, und kann, während er kurz zwischen den Wogen nach Luft und konkretem Inhalt schnappt nur so viel behalten, dass in der Firma Dinge definiert und Strukturen geschaffen werden müssen. Als Lutz ihm dann noch abschließend eröffnet, dass die Firma in ihrem jetzigen Zustand einen Hühnerhof darstelle und dass er, Lutz, auf einem Hühner- oder zumindest Bauernhof groß geworden sei, stellt er für Dritter die Lösung aller Probleme, nämlich sich selber, in den Raum: Lutz wird zum neuen Geschäftsführer der Firma ernannt und ist somit am Ziel seiner Wünsche.
Kapital 6: Die Erfüllung
Alles hat ein Ende, doch haben Unternehmen mitunter ein sehr langes Ende, zumindest wenn sich immer wieder neues Kapital, beziehungsweise neue Kapitalisten finden, die in ihrer Großherzigkeit und ihrer sich selbst hintan stellenden Interesselosigkeit einem zu Ende gehenden Unternehmen unter die Arme greifen. Unter den Armen von Unternehmen sieht es oft so aus, wie unter den Armen von so manchem Menschen. Es ist feucht und muffig, aber das stößt keinen Kapitalbesitzer, keinen Freund aller Menschen und aller Unternehmen, ab, zumindest nicht dann, wenn er etwas auf sich und überschüssiges, arbeitsloses Kapital auf dem Konto hält.
Somit würde sich auch der Rest unserer Geschichte in grausame Länge ziehen, was der Erzähler (schließlich handelt es sich bei ihm nicht um Günter Grass) seinen Lesern jedoch nicht zumuten möchte, da er ja das Wohl seiner Leser, wie auch seine Brille, immer vor Augen hat. Es sei daher im weiteren Bericht wieder zu einem etwas summarischeren Stil zurückgekehrt, zumal der Stoff, aus dem diese Zeilen sind, ohnehin zur Neige geht. Der Erzähler möchte übrigens seinen Lesern noch anraten, ebenfalls einmal in ihrem Leben zur Neige zu gehen, denn die Neige ist ein schön gelegener Fluss in Franken und Hessen, an dessen Ufern sich wunderbar Urlaub machen lässt. Die Neige speist sich aus der bei Niddergang entspringenden Bitteren Neige und der in Frankfurt a.M. gelegenen Quelle der Süßen Neige, die sich beide in der Nähe des idyllischen Städtchens Hanau zur Großen Neige vereinigen. Aus juristischen Gründen muss der Erzähler hier noch kurz darauf hinweisen, dass er auf der Gehaltsliste des Neige-Fremdenverkehrsverbands steht, was aber auf seine Wertschätzung dieser wundervollen Region keinerlei Einfluss hat. Diese Landschaft ist unter Fachleuten im Übrigen als Heimat des hier endemischen Hessischen Lemmings bekannt, ein possierliches Nagetier, welches wir, um das Bild der Neige-Region noch abzurunden, hier durch einen Auszug aus einem zoologischen Lexikon kurz vorstellen wollen.
Zoologische Exkursion:
Hessischer Lemming (Lemmus hassianis - Artolaganus 2012)
Der Hessische Lemming, ein dem Menschen äußerlich ähnliches Schadnagetier mit auffallend blondem und lockigem Fell. Benagt vor allem kleine und mittelständische Firmen, deren Inhaber und Mitarbeiter, sobald die Vorräte weggefressen sind, dem stets lustigen Lemming in einem großen Umzug in den nächsten Abgrund folgen. Die Art überwintert gemeinhin in einem dichten Lügengespinst, an welchem sie das ganze Jahr über arbeitet, wobei sie sich immer mehr darin verheddert. Auffällig am Verhalten dieses Lemmings ist außerdem, dass er - bei sonst vollkommen fehlendem Schamgefühl - stets sehr darum besorgt ist, dass ihm niemand, wie er selber es bei jeder Gelegenheit formuliert, "zu tief in den Popo schaut." Verhaltensforscher rätseln über die Bedeutung dieser Eigenart, die sich um so seltsamer ausnimmt, als das sonstige Seelenleben des Hessischen Lemmings nicht sehr komplex ausgeprägt ist, bzw. schlicht nicht vorhanden ist. Man vermutet daher, dass der Anus im Fortpflanzungsritus dieser Art eine wichtige, jedoch erst noch zu klärende Rolle spielt. Die Art ist ursprünglich endemisch auf die Region Hessen beschränkt, wird jedoch in jüngster Zeit auch im fränkischen Raum häufiger beobachtet. Wildbiologen sehen dieses Ausgreifen der früher räumlich eng begrenzt vorkommenden Spezies mit großer Sorge, richtet sie doch dort, wo sie sich einmal festgesetzt hat in der Regel immensen ökonomischen Schaden an.
Siehe zur Vertiefung auch Leif S. Windler / Honest B. Heppnersheimer: Zur Biologie des Hessischen Lemmings. Ein Schadnagetier in der Mitte Deutschlands. Übersetzung aus dem Englischen von Matthaeus Artolaganus. Zotenburg 2013.
Weiter im Text:
Lutz durchlebt in den folgenden Wochen und Monaten den Höhenflug seines Lebens, dem freilich die Umsätze der Firma nicht geneigt sind, zu folgen. Vielmehr neigen sie sich in die andere Richtung, also nach unten. Der Geschäftsführer Lutz, eben noch als Unternehmensberater firmierend, macht Dritter deutlich, dass er nun selber Rat brauche („Man kann ja nicht alles wissen!“) und da guter Rat teuer ist, wird der Unternehmensberater und Controllingspezialist Planjanet hinzugerufen. Planjanet, dessen stets braungebranntes Äußeres die Vermutung nahe legt, dass er nur selten ein Büro von innen sieht und der, wenn er doch einmal ein Büro betritt, immer erst im Pluralis Majestatis glaubhaft verkündet: “Wir dreschen keine Phrasen!”, kam daher, sah und siegte zwar nicht, erkannte aber sofort, dass die Firma mehr verkaufen müsse, benutzt dafür allerdings unglücklicherweise das heute wenig gebräuchliche und auch noch nuschelnd ausgesprochene Wort „verscherbln“, was in der Firma zu monatelangen Diskussionen über die eigentliche Bedeutung der Aussprüche von Planjanet führt. Ein Teil der Mitarbeiter behauptet, sich unter dem Wort „verscherbln“ nichts vorstellen zu können (es handelt sich hier um jenen Teil der Mitarbeiter, die, wenn sie während der Arbeitszeit ein dringendes Bedürfnis verspüren, immer gleich einen Flug nach Indien buchen, da sich die Firmentoilette gerüchteweise am Ende des Ganges befinden soll), ein anderer Teil der Mitarbeiter beansprucht, mit dem Wort „verscherbln“ ungefähre Vorstellungen verknüpfen zu können, die auch in das semantische Umfeld des Kaufmännischen fallen, rätseln aber, ob es einen tieferen Sinn hat, dass Planjanet beim Gebrauch dieses Wortes ein „e“ verschluckt. Diese zweite Partei scheidet sich dann im weiteren Verlauf des Geschäftsjahres in zwei Unterparteien, von denen die eine behauptet, dieses verschluckte „e“ deute auf eine erst noch zu ergründende terminologische Nuance hin, deren betriebswirtschaftliche Bedeutung Laien verschlossen sei, während die andere behauptet, Planjanet habe das „e“ einfach nur irgendwo innerhalb der Firma verlegt, man müsse es nur in einer konzertierten Aktion suchen und dann endlich zur Tat schreiten.
Lutz lernt derweil viel, wenn auch langsam dazu, wobei ihn seine frisch eingestellte Assistentin, eine gewisse Amelia (jawohl: wieder eine Amelia! Und wieder ein blondes Angorafell! Lutz bleibt bei allem Wandel in seinem Leben bestimmten Konstanten treu.) begeistert anhimmelt, was ihn noch weiter in seinem Taten- und Lerndrang anfeuert. So erfährt Lutz nach mehreren Monaten, was die Firma eigentlich an Produkten verkauft, er ahnt erstmals etwas von dem Unterschied zwischen Brutto und Netto, er lernt, dass man im Großhandel Rabatte nicht auf die UVP-Preise gewährt und er lernt nun endlich, wie man das Automatikgetriebe seines Dienstwagens, mit dessen Auswahl er die ersten zwei Monate seines Geschäftsführerdaseins ausgefüllt hatte, bedient. Der Leser erinnert sich, dass ihm dieses Nichtwissen und Nichtbeherrschen bei Bettina Barceld seinerzeit den Job gekostet hatte. Außerdem benutzt Lutz häufig - wie schon früher gelegentlich - für ihn neue Fremdwörter (z.B. das Wort “Optionen”), weil sie in seinen Augen - Entschuldigung: - Ohren so gut und melodiös klingen.
Doch alles Tun und Machen, alles Definieren und Strukturen schaffen hilft nicht. Die Firma, deren Gang zur Neige (des Kapitals) sich exponentiell beschleunigt, wird unter tatkräftiger und geistesschwacher Mitwirkung eines zwar reichlich depperten, aber dennoch auch reichlich solventen Insolvenzverwalters erneut verkauft, diesmal an den Private Equity-Fond eines gewissen Alfonso Kapellen-Locust. Auch das Kapital dieses Fonds verschwindet rasch wie ein Käsefondue in einer schneesturmumwehten Schweizer Berghütte, wird also zügig durchgeschreddert und schließlich landet Lutz vor dem Kadi, von dem er zum ersten Mal erstaunt vernimmt, dass auch hierzulande gewisse Begriffe wie etwa „Gesetze“ und „Regeln“ im Gebrauch sind, und dass diese Begriffe durchaus auch ihre praktischen Implikationen besitzen.
Kurz: Lutz landet im Gefängnis, wo er sich jedoch – wir sind es von ihm nicht anders gewohnt – rasch einfügt. Er erlernt einen soliden Beruf mit Zukunft, nämlich das Tütenkleben und bessert dank seines hoch im Kurs stehenden, blond beflaumten und knackigen Hinterns sein Einkommen kräftig auf. In der Gefängnisdusche verdient er das Doppelte seines früheren Geschäftsführergehalts und blickt somit, während er sich bücken muss, erwartungsfroh und mit wichtiger Miene in die Zukunft.
An dieser Stelle wollen wir Lutz mit seinem neuen Kundenkreis alleine lassen. Wir durften Zeugen seines kometenhaften Aufstiegs werden und von dieser gehobenen Position mag er nun auf uns armselige Kleingeldstricher verächtlich herabsehen. Es sei ihm, wie alles, was er sich in seinem Leben hart und ehrlich erarbeitet hat, gegönnt.
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